Die Anschläge in Paris waren gut geplant und koordiniert. Warum bloss haben die Geheimdienste davon nichts mitbekommen? «Es gibt heute viele technische Möglichkeiten, die es den Geheimdiensten verunmöglichen, überhaupt zu erfahren, was diese Leute planen», sagt John Brennan, Chef des US-Geheimdienstes CIA.
Überwacher ausgeschlossen
Es geht nicht um E-Mails, Webseiten oder Social-Media-Mitteilungen. Hier haben Polizei und Geheimdienste gesetzliche Möglichkeiten, die Autoren zu überwachen oder sie gar ausfindig zu machen – auch wenn diese Möglichkeiten inzwischen etwas mehr eingeschränkt sind als noch vor den Enthüllungen von NSA-Whistleblower Edward Snowden.
Was CIA-Chef Brennan anspricht, sind vielmehr private Kommunikationsdienste auf dem Mobiltelefon – iMessage, WhatsApp oder FaceTime. Sie werden direkt auf den Mobilgeräten ver- und entschlüsselt. Apple, Facebook & Co., die diese Dienste anbieten, können technisch nicht mehr eingreifen. Folglich können die Überwacher auch nicht mitlesen oder mithören.
Geheimdienste möchten Passepartout
Diese verschlüsselte Kommunikation sei besorgniserregend, sagt auch der demokratische Kongressabgeordnete Adam Schiff. Er ist die Nummer Zwei im US-Geheimdienstausschuss. Zugleich aber gibt er zu bedenken, dass es noch zu früh sei, um sagen zu können, ob und welche Rolle diese Dienste in Paris gespielt haben.
In der Tat blieben bis jetzt all die anonymen Geheimdienstquellen, die von den US-Medien zitiert werden, entsprechende Beweise schuldig. Und die Untersuchungen in Paris sind noch im Gang.
Die Warnung der Geheimdienste ist stärker, aber nicht neu. Sie fordern schon lange ein Passepartout, mit dem sie oder die Anbieter von iMessage oder Facetime in einer Notsituation wie einem geplanten Terrorakt die Verschlüsselung knacken könnten.
Privatsphäre vs. Sicherheitsbedenken
Im Fachjargon ist von einer «Backdoor», einer «Hintertüre», die Rede. Doch das Silicon Valley wehrt sich gegen die Forderungen aus Washington. Die Kunden hätten ein Recht auf Privatsphäre. Apple-Chef Tim Cook brachte es letzten Monat gegenüber dem Radiosender NPR so auf den Punkt: «Wenn man den Guten eine solche Möglichkeit gibt, verschaffen sich auch die Bösen Zutritt.» Was er damit sagen wollte: Es wäre für Hacker, Terroristen oder feindliche Geheimdienste ein leichtes, sich ebenfalls Zugang zu den Daten zu verschaffen, wenn es eine «Backdoor» gäbe.
Die Obama-Regierung hat erst im Oktober mitgeteilt, dass sie nicht mehr an der Forderung nach solchen «Hintertüren» festhalten wolle. Datenschutz-Organisationen in den USA befürchten, dass dieser Entscheid nun zurückgenommen werden und als Folge der Anschläge in Paris generell die Überwachung der Bürger wieder zunehmen könnte.
SRF-IT-Redaktor Guido Berger zu den «Backdoors»:
«Wenn man heute eine Nachricht mit dem neusten Stand der Verschlüsselung verschickt, ist sie tatsächlich kaum mehr zu knacken. Deshalb fordern die Geheimdienste nach Terroranschlägen auch regelmässig, sogenannte «Backdoors» einzubauen. Neben dem technischen Argument, ein solcher Zugang könne in falsche Hände geraten, gibt es auch ein politisches Argument: Warum soll man die Privatsphäre von Allen auflösen, um einige Wenige zu überwachen? Ausserdem wäre es wohl nicht realistisch, in allen existierenden und künftig neu entwickelten Kommunikationssystemen eine «Backdoor» einzubauen. Deshalb müssen die Geheimdienste wohl auch in Zukunft ohne die konkreten Inhalte von verschlüsselten Kommunikationen ihre Arbeit verrichten.» |