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Einschätzungen zum Bündner Modell: Das ausführliche Interview mit Bettina Looser
Aus Regionaljournal Graubünden vom 26.06.2019. Bild: ZVG
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Umstrittene Asylschulen «Separate Beschulung ist nicht förderlich für den Schulerfolg»

Der Kanton Graubünden setzt auf interne Schulen in den Asylzentren. Die geflüchteten Kinder sollen zuerst erste Worte Deutsch lernen und das Schulsystem kennenlernen, bevor sie an die Volksschule wechseln. Doch manche Kinder besuchen jahrelang die Heimschule. Jetzt schlagen Flüchtlingseltern Alarm.

Für Bettina Looser von der pädagogischen Hochschule Schaffhausen ist das Bündner Schulmodell für Flüchtlingskinder veraltet und missachte Kinderrechte. Es müsse überdacht werden.

Bettina Looser

Bettina Looser

Dozentin Pädagogische Hochschule Schaffhausen

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Bettina Looser ist Fachbereichsleiterin Heterogenität, Migration und Integration an der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen. Sie bietet Weiterbildungen für Lehrer und Lehrerinnen an, berät Behörden und entwickelt Bildungs- und Integrationsprojekte für geflüchtete Kinder und Jugendliche.

SRF News: Bettina Looser, das Bündner Amt für Migration ist zufrieden mit dem Schulsystem in den Asylzentren. Wie beurteilen Sie das Bündner Modell?

Bettina Looser: Ich kenne es nicht im Detail, aber einiges gefällt mir eigentlich an diesem Modell. Kleine Klassen sind zum Beispiel immer gut – und zwar sowohl für die Kinder als auch für die Lehrpersonen. Ich finde auch gut, dass diese altersdurchmischt sind. Und ich habe den Eindruck, dass es in Graubünden kompetente Lehrpersonen mit einem grossen Wissen gibt.

Die Eltern in den Asylzentren haben eine ganz andere Einschätzung. Können Sie das nachvollziehen?

Ja. Wenn man von der Theorie ausgeht, gibt es ein grosses «Aber» bezüglich dieser separierten Heimbeschulung. Studien zeigen, dass gemeinsames Lernen mit einheimischen Kindern für den Spracherwerb langfristig am besten ist.

Was ist da der grosse Vorteil?

Die Kinder lernen so eben nicht nur von der Lehrperson, sondern sie lernen in ganz verschiedenen Situationen: Durch gemeinsames Spiel, durchs Abschauen und Ausprobieren. Und über die Sprache hinaus lernen sie ganz viel Wichtiges – wie man sich zum Beispiel richtig verhält. Wichtig ist auch: Für das Kind ist es nicht relevant, welchen Aufenthaltsstatus es hat. Für das Kind ist es zentral, dass es dazu gehört, zum Beispiel auf dem Fussballplatz nach der Schule.

Graubünden setzt auf Asylschulen. Grundsätzlich wird frühestens nach eineinhalb Jahren ein Übertritt in die Regelklasse geprüft. Was wäre sinnvoll?

Sinnvoll wäre eine viel schnellere Integration in die Regelklasse. Separate Beschulung ist nicht förderlich für die Integration, für den Schulerfolg und damit für die Chancengerechtigkeit. Es ist eigentlich auch eine Missachtung eines der wichtigsten Kinderrechte, nämlich dem Recht auf Gleichheit und Teilhabe. Der Unesco-Weltbildungsbericht von diesem Jahr sagt, es brauche dringend Anstrengungen für die Inklusion von geflüchteten Kindern - auch in der Schweiz.

Würden Sie Graubünden empfehlen, auf die heiminternen Schulen zu verzichten?

Nein, ich würde nicht von einem Tag auf den andern darauf verzichten. Aber ich würde das aktuelle Modell unbedingt anpassen und Innovationen vorantreiben. Man könnte zum Beispiel einführen, dass die Kinder nach einigen Wochen für einen Teil ihrer Schulzeit in die Regelklasse integriert und an der Heimschule weiter bezüglich Deutsch gefördert werden. Je nach Fall könnte ein Kind bereits nach drei Wochen in der Volksschule einsteigen, andere jedoch erst nach sieben Monaten. Was es braucht, ist eine klare Limite. Spätestens nach einem Jahr sollten alle Kinder in der Volksschule integriert sein.

Ein wichtiges Argument in Graubünden für eine längere Heimbeschulung ist, dass manche Kinder Analphabeten sind.

Das ist sicher keine einfache Aufgabe, ein solches Kind zu integrieren. Es braucht natürlich Support. Wenn ich mit Schulen zusammenarbeite, sage ich, dass alle Bedürfnisse betrachtet werden müssen. Zum Beispiel: Was brauchen Kinder, wenn sie traumatisiert sind. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass sie sich zugehörig fühlen, dass sie ihre Fähigkeiten zeigen können und Erfolgserlebnisse haben. Auf der anderen Seite gilt es zu beachten, was die Lehrpersonen benötigen. Sie brauchen mehr Wissen, mehr Methoden, mehr Handlungsideen. Das bedeutet für die Gemeinden aber auch für den Kanton, dass sie die nötigen Ressourcen bereitstellen müssen.

Das Gespräch führte Stefanie Hablützel.

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