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Abtreibungsfinanzierung Abtreibungsfinanzierung: Privatsache oder Frage der Solidarität?

Religiös-konservative Kreise wollen mit der Initiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» die bisherige Praxis ändern: Abreibungen sollen nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden. Die Gegner sehen in der Initiative einen Angriff auf die Fristenregelung.

Mit einem sehr deutlichen Volksentscheid ist der Schwangerschaftsabbruch 2002 entkriminalisiert worden. Teil der damaligen Vorlage war, dass die Krankenkassen die Kosten der Abtreibung tragen. Das wollen religiös-konservative Kreiserückgängig machen.

Ihre Initiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» kommt am 9. Februar zur Abstimmung. Sie verlangt, dass Schwangerschaftsabbrüche und Mehrlingsreduktionen nicht von der Grundversicherung bezahlt werden. Das Initiativkomitee setzt sich zusammen aus Politikern von CVP, SVP, EVP und EDU. Die CVP bekämpft die Initiative jedoch, zusammen mit den übrigen Parteien und dem Bundesrat.

Versicherte als «Mittäter»

Die Initianten argumentieren, dass die Grundversicherung jährlich um 8 bis 20 Millionen Franken entlastet würde, wenn Schwangerschaftsabbrüche privat bezahlt werden müssten. Dabei seien die wesentlich höheren indirekten Kosten, die durch psychische Störungen entstünden, noch gar nicht mitgerechnet.

Ja-Plalat der Befürworter
Legende: Für die Initianten bedeutet die heutige Praxis Missbrauch von Prämiengeldern. Deshalb: wer abtreibt, soll selber zaheln. Keystone

Sie verweisen zudem auf Studien, wonach die Zahl der Abtreibungen angeblich um bis zu einen Viertel abnimmt, wenn der Eingriff nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt wird. Für dieSchweiz rechnen sie mit einem Rückgang um 10 Prozent, was jährlichüber 1000 Abtreibungen weniger bedeuten würde.

Die Initianten sehen die Versicherten als «Mittäter» wider Willen, weil sie Abtreibungen über die solidarische Grundversicherung mitfinanzieren müssen. Dazu sollte niemand gegen sein Gewissen gezwungen sein, argumentieren sie. Auch Krankenkassen dürften nicht dazu dienen, das Töten zu finanzieren.

Für die Gegner der Initiative handelt es sich bei dem Anliegen in Tat und Wahrheit um einen Angriff auf die Fristenregelung. Diese war 2002 mit einem Ja-Stimmenanteil von über 72 Prozent an der Urne angenommen worden: Bis zur 12. Schwangerschaftswoche können Frauen selbst über den Abbruch entscheiden, danach braucht es eine Bestätigung eines Arztes, dass ein medizinischer Grund vorliegt.

Massenhafter Ungehorsam

Dem Volksentscheid vorangegangen war eine jahrzehntelange Diskussion um eine Lösung für eine rechtsstaatlich bedenkliche Situation. Die Mehrheit der Bevölkerung lehnte die Aufhebung der Strafdrohung für Schwangerschaftsabbrüche zwar ab. In der Praxis wurden aber schätzungsweise über 10'000 Abtreibungen pro Jahr vorgenommen. Strafurteile gab es ab den 1980er-Jahren kaum noch.

Nein-Flyer der Gegner
Legende: Frauen ohne finanzielle Not über einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden können. Dafür kämpfen die Initiativ-Gegner. Keystone

Mit der Fristenlösung wurde auch die Kostenübernahme durch die Krankenkasse geregelt: Ist eine Abtreibung straflos, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die gleichen Leistungen wie bei Krankheit. Diese Bestimmung war Bestandteil der Abstimmungsvorlage von 2002.

Die Initiativ-Gegner wollen das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, indem der Schwangerschaftsabbruch aus dem Leistungskatalog der Grundversicherung gestrichen wird. Fachleute machen dafür medizinische Gründe geltend: Sie befürchten, dass Frauen vermehrt auf Engelmacher oder andere fragwürdige Methoden zurückgreifen würden, wenn sie den Eingriff selbst bezahlen müssten – mit entsprechend hohen Folgekosten bei Komplikationen.

Keine Zunahme der Abtreibungen

Auch der Bundesrat bezweifelt, dass die Initiative zu Einsparungen führen würde. Zudem gefährde sie den Grundsatz der Solidarität, wenn gewisse Leistungen wegen moralischer Überzeugungen einer Gruppe von Versicherten ausgeklammert würden, warnte Gesundheitsminister Alain Berset. Gewissenskonflikte können auch in anderen Situationen aufkommen, die eine medizinische Versorgung erforderten. Gleichzeitig stellt Berset klar, dass die Fristenregelung «keine Einladung zum Schwangerschaftsabbruch war».

Er ruft in Erinnerung, dass die Zahl der Abtreibungen auch nach der Gesetzesänderung auf tiefem Niveau stabil geblieben ist. Auch sei nicht zu erwarten, dass weniger Abtreibungen durchgeführt würden, wenn die Betroffenen diese selbst bezahlen müssten.

Pro Jahr lassen in der Schweiz auf 1000 Frauen ungefähr 7 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen. In Schweden sind es rund 21 pro 1000 Frauen, in Frankreich fast 18, in Dänemark 15 und inItalien 10. Die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen ist in Europa die Regel.

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