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«Gruppen aus der Zivilgesellschaft übernehmen»
Aus News-Clip vom 25.11.2018.
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Selbstbestimmungs-Initiative Eine Vorlage mit vielen Gesichtern

Das Stimmvolk hat heute klar Nein gesagt zur Selbstbestimmungs-Initiative. Trotzdem hat die SVP mit ihrer Initiative wieder einmal einen wunden Punkt getroffen: In einer globalisierten Welt werden Regeln zunehmend auf internationaler oder globaler Ebene festgelegt. Dies führt bei den Bürgern zum subjektiven Gefühl, wichtige Entscheide nicht mehr bei sich zuhause treffen zu können.

Aber dank völkerrechtlichen Verträgen können wir heute grenzenlos fliegen, Hotels buchen oder online einkaufen. Sei es in Bern, Bangkok oder Budapest. Das hat aber einen Preis: Mehr grenzüberschreitende Freiheiten zu beanspruchen bedeutet, ein wenig Souveränität oder Selbstbestimmung abzugeben. Dazu bereit sind mehr als zwei Drittel der Stimmberechtigten in diesem Land.

Komplexe Frage – einfache Lösung

Einmal mehr hat die SVP mit ihrer «SBI» (Selbstbestimmungs-Initiative) einfache Lösungen angeboten für juristisch knifflige Fragen: Schweizer Recht soll ausländischem Recht vorgehen. Punkt. Schwarz-weiss.

Damit liess sich ein Jahr vor den Wahlen gut Stimmung machen bei der eigenen Wählerschaft. Über die Parteigrenzen hinaus hat die SBI aber wenig begeistert. Warum?

Gibt es wirklich Probleme mit dem Völkerrecht?

Das Thema Selbstbestimmung scheint den Leuten offenbar nicht unter den Nägeln zu brennen. Rechtsprofessor und Ständerat Daniel Jositsch (SP/ZH) brachte es in der Ständeratsdebatte zur SBI auf den Punkt: «Gibt es Bürgerinnen und Bürger, die sagen: Ja ich leide unter dem Völkerrecht? Ich kenne niemanden.»

Die Leute haben offenbar andere Sorgen: steigende Krankenkassenprämien, Angst vor dem Klimawandel, Jobverlust mit über 55 Jahren. Hat die SVP also am «Volk» vorbei politisiert? Könnte sein. Immer wieder kam der Vorwurf von den Gegnern, die SVP habe die angeblichen Probleme mit dem Völkerrecht erst durch ihre Initiativen (Minarett, Ausschaffung, Masseneinwanderung, Durchsetzung, Selbstbestimmung) selber geschaffen. Selbst SVP-Politiker gaben zu: Diese Initiative sei viel zu kompliziert und etwas für Juristen.

Verkehrte Kampagnenwelt

Auffallend ist, wie sich die Argumente, Bilder und Begriffe im Laufe der Debatte völlig verändert haben. Am Anfang rückte die SVP «fremde Richter» mit schwarzen Hüten und Roben ins Zentrum. Im Abstimmungskampf war von alledem gar nichts mehr zu sehen oder zu hören. Von orangen Plakaten blickten ernste Menschen herunter, die sich mit einem «Ja»-Schild für die direkte Demokratie und «zur Selbstbestimmung» bekennen. Kein SVP-Sünneli, nichts Aggressives war zu sehen oder zu hören.

Ganz anders die Gegner. Sie setzten für ihre Kampagne auf eine Kreissäge. Die sogenannte «Allianz der Zivilgesellschaft», bestehend aus 120 Schweizer Organisationen, nahm für ihren Abstimmungskampf den Zweihänder hervor, um vor der angeblich «trügerischen Initiative» zu warnen.

Verkehrte Kampagnenwelt also: Die SVP machte für einmal auf brav und bieder, die SBI-Gegner setzten auf «Brutalo»-Ästhetik. Für einen Sieg der Volkspartei reichte der gemässigte Auftritt der SVP dann aber doch nicht. Noch nicht? Für SVP-Präsident Albert Rösti könnte diese moderatere Kampagnen-Form je nach Thema durchaus Zukunft haben. «Der Zeitgeist ist ein wenig ruhiger geworden. Die Leute mögen dieses ‹Gehacke› nicht mehr», sagt Rösti.

Fazit: Auch für uns Berichterstatter war die Selbstbestimmungs-Initiative ein schwieriges, sich ständig veränderndes, kniffliges Studienobjekt. Sie stellte eine wichtige Frage: Wer hat Vorrang im Konfliktfall: die Bundesverfassung oder das Völkerrecht?

Erkenntnis: Auf diese Frage scheint es nach endlosen Debatten wohl keine einfache, schlüssige Antwort zu geben. Darum müssen Richter wohl auch weiterhin frei und im Einzelfall entscheiden können.

Genau das hat heute das Schweizer Volk mit dem Nein zur SBI entschieden.

Christoph Nufer

Christoph Nufer

Leiter Bundeshausredaktion, SRF

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Christoph Nufer ist seit 2016 Leiter der Bundeshausredaktion des Schweizer Fernsehens SRF. Davor war er als EU-Korrespondent in Brüssel stationiert.

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