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Fehlende Gleichstellung: Startup-Gründerinnen im Nachteil
Aus Trend vom 11.06.2021. Bild: SRF. Denise Joder
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Fehlende Gleichstellung Start-ups sind noch immer eine Männerdomäne

Studien zeigen: Frauen haben schlechtere Chancen als Männer, von Investoren und Investorinnen Geld für ihr Start-up zu erhalten. Meist unbewusst und unabsichtlich werden sie benachteiligt.

Start-up-Gründerin Nadia Fischer telefoniert mit einem Investor. Der Geldgeber will nicht in ihr Unternehmen investieren, das sie vor drei Jahren gegründet hat. Eine weitere Absage.

So richtig habe sie sich noch nicht an die vielen «Neins» gewöhnt, sagt Nadia Fischer. «Ich habe früher im Verkauf gearbeitet und da erhält man nicht so viele Absagen», lacht sie. Den Humor hat sie noch nicht verloren.

Gründerinnen noch immer in der Unterzahl

Frauen wie Nadia Fischer, die ein Start-up gründen, sind in der Welt der Jungunternehmen eine Seltenheit. Die Mehrheit der Start-ups wird noch immer von Männern aufgebaut. Auch, weil Start-ups per Definition einen hohen Grad an Innovation aufweisen müssen und deshalb oft etwas mit neuen Technologien und IT zu tun haben – eher Männerdomänen.

Die Statistik zeigt nun: Die wenigen Frauen, die den Sprung wagen, haben schlechtere Chancen als Männer, Kapital von Geldgebern zu erhalten. Etwa jedes zehnte Start-up wird von einer Frau gegründet und geführt. Aber diese Frauen erhalten nicht jeden zehnten Franken vom gesamten Geld, das Investoren vergeben – sondern nur etwa jeden zwanzigsten.

Das zeigen die neusten Zahlen von Portal Startupticker.ch. Das Portal erstellt jeweils zusammen mit Hochschulen einen Bericht über den Stand der Dinge in der Schweizer Start-up-Welt.

Bei der Zahl der Start-ups handelt es sich zwar um Schätzungen – offizielle Statistiken fehlen. Unbestritten ist aber: Frauen erhalten nur einen sehr kleinen Teil der Gelder, die von Investorinnen und Investoren zu Start-ups fliessen.

Startkapital: Frauen im Hintertreffen

Konkret heisst dies: In den letzten acht Jahren erhielten Start-ups in der Schweiz insgesamt 7.4 Milliarden Franken. Jene von Frauen erhielten dabei nur vier Prozent. In anderen Ländern sieht es ähnlich aus, wie internationale Studien zeigen.

Start-up-Gründerin Nadia Fischer kennt das Problem. Sie ist sensibilisiert für Geschlechterfragen. Mit ihrem Start-up Witty Works will sie anderen Firmen aus der IT-Welt helfen, mehr Frauen zu finden. Sie und ihr Mitgründer haben dazu eine Software entwickelt. Diese schreibt Stelleninserate so um, dass die Inserate attraktiv für Frauen in der IT-Branche sind.

Trotz ihrer Sensibilität für Geschlechterfragen: Ob sie von Investoren tatsächlich benachteiligt wird, weiss Nadia Fischer nicht. Das sei sehr schwierig, eindeutig festzumachen, sagt die Unternehmerin. Oft sei es mehr ein Gefühl. Oder sie erhalte merkwürdige Begründungen bei der Absage. Solche, von denen sie denkt, dass männliche Start-up-Gründer sie so nicht erhalten würden.

Start-up-Gründerin Nadia Fischer.
Legende: Will Firmen aus der IT-Welt helfen, mehr Frauen zu finden: Unternehmerin Nadia Fischer. SRF

Eine Benachteiligung im Einzelfall nachzuweisen, sei kaum möglich, sagt auch Sylvie Oldenziel. Sie forschte bis vor Kurzem zum Thema frauengeführter Start-ups an der Hochschule Luzern, schreibt nun eine Doktorarbeit und ist Mitgründerin der Plattform Funding Female Founders, die Jungunternehmerinnen unterstützt.

Männer geben Männern eher Geld

Es gibt aber Untersuchungen dazu, wie eine solche Benachteiligung zustande kommen könnte: Ein Problem ist der «social similarity bias».

Frei übersetzt heisst das: Die soziale Ähnlichkeit spielt eine Rolle. Leistungen von Leuten, die uns ähnlich sind, beurteilen wir positiver. Das führt dazu, dass Männer anderen Männern eher Geld geben für ihr Start-up. Frauen wiederum investieren eher in von Frauen geführte Unternehmen.

Gründerinnen sind deshalb tendenziell im Nachteil. Denn in der Praxis sind es oft Männer, die entscheiden, welches Start-up wie viel Geld erhält.

Unbewusste Benachteiligung

Ein anderes Problem ist der «unconscious bias». Das sind unbewusste Vorurteile und Stereotypen, die wir alle in unseren Köpfen haben.

Mir werden oft Fragen gestellt, die mich in die Defensive drängen.
Autor: Nadia Fischer Start-up-Gründerin

Eine Studie der Universität Harvard hat gezeigt: Frauen werden von Investoren – und Investorinnen – zum Teil anders befragt als Männer. Das hat auch Nadia Fischer von Witty Works erlebt.

«Mir werden oft Fragen gestellt, die mich in die Defensive drängen», sagt sie. «Meinem Geschäftspartner werden eher Fragen gestellt, bei denen er über seine Kompetenz und das Potenzial der Firma sprechen kann.» Da komme man natürlich positiver weg.

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Sven Rufer und Thileeban Thanapalan über Streit und Freundschaft
aus Kontext vom 30.05.2021. Bild: SRF / Oscar Alessio
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Eine Lösung dafür wären laut Expertinnen und Experten standardisierte Fragen. So könnte verhindert werden, dass Investoren und Investorinnen Frauen andere Fragen stellen als Männern.

Investitionsfirmen: Massnahmen fehlen

Sind sich die Investorinnen und Investoren denn des Problems überhaupt bewusst? Radio SRF hat einige Vertreterinnen und Vertreter von Schweizer Venture Capitalists befragt. Das sind Investitionsfirmen, die im Auftrag von Grossanlegern Risikokapital für innovative Jungunternehmen bereitstellen.

Ihre Aussagen zeigen: Entweder haben die Geldgeber noch nie davon gehört, dass Frauen benachteiligt werden – oder sie glauben, das Problem im Griff zu haben. Doch die wenigsten haben konkrete Massnahmen ergriffen, um eine Benachteiligung von Frauen zu verhindern.

Man braucht als Start-up-Gründerin beinahe Arroganz bei den Verhandlungen mit den Investoren.
Autor: Alexandra Laska Investitionsfirma Redalpine

Die Investoren wären allerdings durchaus offen für Verbesserungsvorschläge. Viele sogenannte Venture Capitalists bemühen sich um Frauenförderung – und um Diversität in den eigenen Teams. Allerdings sprechen gewisse bereits von einem gemischten Team, wenn eine Frau und drei Männer Investitionsentscheide fällen. Dabei zeigt die Forschung, dass es mindestens einen Frauenanteil von 30 Prozent bräuchte, damit sich etwas verändert.

Vonseiten der Investitionsfirmen heisst es dann jeweils, es sei schwierig, für die höheren Etagen mehr Frauen zu finden – ein Problem, das auch andere Branchen kennen.

Vernetzen und forscher auftreten

Was können denn Jungunternehmerinnen selber tun, damit sie mehr Kapital erhalten? Alexandra Laska von Redalpine, einem grösseren Schweizer Venture Capitalist, rät zu einem mutigen Auftritt: «Man braucht als Start-up-Gründerin einen gewissen Grad an Keckheit und beinahe Arroganz bei den Verhandlungen mit den Investoren.»

Ein anderer wichtiger Punkt: Vielen Start-up-Gründerinnen fehlt das Netzwerk, also der Zugang zu Investorinnen und Investoren. Hier setzen Plattformen wie Funding Female Founders an. Sie bringen Gründerinnen und Geldgeber zusammen und bieten unter anderem auch Beratung an.

Nadia Fischer begrüsst solche Projekte: Sie seien im Start-up-Alltag eine grosse Unterstützung – die Benachteiligung aber bleibe.

Wirtschaftsmagazin Trend, 12.06.2021, 07.33 Uhr

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