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Public Viewing Gegen Heimweh hilft Aarauern «Der Bestatter»

In Aarau trifft man sich wöchentlich zum gemeinsamen Krimi-Schauen. Beim Public Viewing in einer kleinen Beiz zeigt sich: Man ist stolz hier auf «seinen» Bestatter.

Halb acht. Die Bar inmitten des historischen Aarauer Stadtkerns füllt sich. An dunklen Dienstagabenden kommen im «Platzhirsch» Fans von «Der Bestatter» zusammen.

Die Betreiber der Bar waren die ersten, die in Aarau ein Public Viewing durchgeführt haben. Inzwischen kann man die Serie auch im lokalen Kino Ideal schauen.

Aargauer Stolz

Ob auf Stadtführungen zu Drehorten, beim Trinken des Bestatter-Rotweins oder beim Kommentieren auf Twitter: Um die Serie mit Mike Müller ist ein Hype entbrannt.

Das könnte man als reines Stadtmarketing abtun. Doch spricht man mit den Menschen an diesem Abend, wird klar: Ihnen geht es um mehr. Wahrer Lokalpatriotismus kommt hier zum Ausdruck, humorvoll verpackt.

Die Gäste schwärmen von Mike Müller, berichten von Schauplätzen, die sie kennen. «Sogar den bekannten Leichenwagen habe ich schon gesehen. Er stand hier in der Altstadt, vor der Bar», erzählt eine Besucherin.

Bar an einer gepflasterten Altstadtgasse. Draussen ist es dunkel, zwei Männer stehen vor der BAr. Durch das Fenster sieht man Menschen im beleuchteten Innenraum.
Legende: Die «Platzhirsch»-Bar in der Aarauer Altstadt: hier treffen sich am Dienstagabend die Bestatter-Fans. SRF/Danielle Liniger

Mittel gegen Heimweh

Stolz ist man hier. Auf die Umgebung, auf die Stadt im Besonderen. Mehrmals an diesem Abend fällt die Bemerkung: «Aarau war sogar mal die Hauptstadt der Schweiz!»

Bei soviel Heimatverbundenheit verwundert es nicht, dass die «Bestatter»-Fans ihren Lieblingskrimi in den Ferien auch als Mittel gegen Heimweh benutzen, wie eine Zuschauerin erzählt.

TV-Abend oder Leichenschau?

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«Public Viewing» ist ein pseudo-englischer Begriff: In englischsprachigen Ländern bezeichnet er die Aufbahrung einer Leiche – für gemeinsames Fernsehen wird «Public Viewing» nur im deutschsprachigen Raum verwendet. Der Schweizer Krimi ist da ein Sonderfall: Schliesslich passen zum «Bestatter» beide Bedeutungen von «Public Viewing» ganz gut.

Gemeinsam Krimi schauen

Das Lokal wirkt rustikal. Hirschgeweihe schmücken die Holzwände, schummriges Licht. Eine Atmosphäre wie in einer Alphütte. Auf zwei grossen Bildschirmen sind Luc Conrad und Anna-Maria Giovanoli zu sehen.

Philipp Berner war bis vor Kurzem Geschäftsführer im Lokal. Er hatte die Idee zum Public Viewing. Vorbild sei der Erfolg von Public Viewings zum «Bachelor» gewesen. «Wir dachten, der Bestatter hat ähnliches Potential, und etwas mehr Niveau.»

Es klappte. Zum gemeinsamen Krimischauen kommt jeweils nicht nur Stammkunden des «Platzhirsch». Manche kämen extra wegen des Bestatters, so Berner.

Rund vierzig Leute sind an diesem Abend zusammengekommen. Darunter ist eine grössere Gruppe, die meisten kommen aber zu zweit, dritt oder zu viert. Konzentrierte Stille wird ab und an von Gelächter unterbrochen.

Aarau, Hauptstadt der Schweiz

Als die Folge zu Ende geht, die Täterin überführt und die Gläser geleert sind, wird da und dort noch über die neuste Folge diskutiert.

Zeit für den Heimweg. Da bietet einer der Gäste – Polizist, wie er selber sagt – an, das einstige «Bundeshaus» zu zeigen. Das Haus zum Schlossgarten liegt auf dem Weg zum Bahnhof.

Hier wirkte im Jahr 1798 die Leitung der Helvetischen Republik. Bloss für wenige Monate zwar, von Mai bis September. Doch Grund genug für die Aarauer, stolz darauf zu sein. Wie auf den Bestatter.

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