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Hörendes Begehren – Der Sound von Intimität
Aus Passage vom 08.01.2021. Bild: imago images / Addictive Stock
abspielen. Laufzeit 53 Minuten 3 Sekunden.
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Audioerotik Was Frauen wirklich wollen: Übers Gehör zum Höhepunkt

Stimme und Geräusche statt expliziter Bilder: Die Audio-Erotik boomt. Verführt werden sollen damit vor allem Frauen.

«Hattest du einen strengen Tag?», flüstert eine Männerstimme. «Du bist ganz angespannt. Setzt dich hin, meine Schöne. Mach’s dir bequem. Ich bringe dich auf andere Gedanken.» Das sind die ersten Sekunden eines rund 20-minütigen erotischen Hörspiels.

Zu hören ist nur er: der Erzähler. Adressiert ist sie: die Zuhörerin, die mit Kopfhörer der Geschichte lauscht. «Audio-Erotik» heisst das neue Genre, das durch Hören sexuell stimulieren soll.

Erotik von Frauen für Frauen

Tausend- bis millionenfach werden die Hörspiele mit erotischen Geschichten geklickt, melden die Anbieter-Plattformen. Von Fantasien mit ausführlichen Vorgeschichten bis zu expliziten Schilderungen. Von sanft zu derb. Von Telefonsex bis Büro-Affären. Von Worten zu Stöhn- und Sex-Geräuschen. Und dennoch: Audioerotik distanziert sich vom Porno-Begriff und dem dazugehörigen Image.

Zu finden ist ein Grossteil solcher Audios nicht etwa in den dunklen oder schmuddeligen Ecken des Internets, sondern auf Podcast-Apps oder auf einer wachsenden Anzahl eigens dafür gegründete Erotik-Plattformen mit Paywall. Diese verkaufen erotische Audio-Geschichten als edles Produkt, mit Slogans wie «Sexy audio stories that get you in the mood» oder «The audio guide for intimate wellbeing».

Kopfkino statt Sex-Video

«Wir bieten erotische Inhalte speziell für Frauen. Bis vor wenigen Jahren gab es praktisch kein Angebot für uns auf dem Markt», sagt Nina Julie Lepique, Gründerin des deutschen Start-Ups «Femtasy». «Femtasy» ist die erste Plattform, welche sich auf die Herausgabe kuratierter Audio-Erotik spezialisiert hat.

Femtasy: Die erste Audio-Erotik Plattform

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Femtasy.com ist die der erste Audio-Erotik-Plattform. Wie gross ihre Kundschaft genau ist, will die Gründerin Nina Julie Lepique nicht verraten. Sie weist aber darauf hin, dass Femtasy seit der Gründung im Jahr 2018 inzwischen 30 Mitarbeitende beschäftigt. Die Plattform bietet 1500 Audios, gesprochen von über 70 unterschiedlichen Stimmen in Deutsch und Englisch. Laut eigenen Angaben sind knapp 90 Prozent der Userinnen Frauen.

«Gerade herkömmliche Pornos sind eher auf männliche Bedürfnisse zugeschnitten. Deshalb braucht es Alternativen, mit denen Frauen ihre eigene Sexualität leben können, wie sie wollen», so Lepigue. Um herauszufinden, was Frauen wirklich wollen, hat «Femtasy» Interviews mit 1’500 Frauen geführt und auf der Basis der Ergebnisse die Plattform entwickelt.

Vom Voyeur zum Akteur

Die Umfrage ergab: Weibliche Erregung funktioniert viel mehr durch die eigene Vorstellungskraft als durch visuelle Reize. Nach der Gründung von Femtasy im Jahr 2018 sprangen auf einen Schlag dutzende weitere Unternehmen auf den Zug «Audio-Erotik». Das mag einerseits daran liegen, dass Audio-On-Demand und Podcasts gerade boomen. Andererseits an der unterschätzten Intimität von Ton und Klang.

Drei weitere Audio-Erotik-Plattformen

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  1. Quinn

    Quinn ist eine kostenlose, YouTube-ähnlichen Website, auf der Nutzer ihre eigenen Aufnahmen produzieren und hochladen. Gegründet wurde die Plattform 2019 von Caroline Spiegel der jüngeren Schwester des Snapchat-CEOs Evan Spiegel.

  2. Dispea

    Dispea ist eine englischsprachige Plattform für erotisches Storytelling und funktioniert ähnlich wie Femtasy. Audios werden nach klaren Qualitätsstandarts ausgewählt und professionell produziert. Zusätzlich verfügt Dispea über einen Blog mit Handlungsanleitungen zum Hörerlebnis und geführten Fantasien.

  3. &Jane

    Die gerade gestartete Audio-Erotik-Plattform bietet eine Vielzahl von Geschichtenerzählern, die Woche für Woche ihre persönlichen Erfahrungen teilen. Jedes Abonnement von enthält zudem eine Spende an die Woodhull Freedom Foundation, die sich für den Schutz der sexuellen Freiheit als grundlegendes Menschenrecht einsetzt.

«Weil Zuhören die Fantasie anregt, entsteht oft ein intimeres Erlebnis», sagt Anna Richards, die Gründerin von «Frolic Me», einer Pornografiewebsite mit Bild, Videos und neuerdings auch Audios im Angebot. Eine Besonderheit von Audio-Erotik sei die direkte Hörerinnenansprache: «Die Zuhörerin ist nicht länger bloss eine Beobachterin, stattdessen ist sie mit ihrem eigenen Kopf-Kino daran beteiligt, die Szene zu gestalten.»

Alles andere als heteronormativ

Frauen sind zwar die Zielgruppe solcher Plattformen und auch die Mehrheit der Konsumentinnen. Laut Medienberichten finden sich je nach Anbieter auch 10 bis 40 Prozent Männer unter den Zuhörenden. Teils allein, teils mit Partnerin oder Partner.

Da mit strengen Qualitätsstandards kuratiert, sind die Inhalte von Audio-Erotik Plattformen meist feministisch, body-positiv, queerfriendly, oder wie es Femtasy formuliert hat: alles andere als heteronormativ. Audio-Erotik ist somit Teil des «Ethical Porn Movement»: Diese Bewegung, will Sexualität von Scham befreien und Pornografie zu einem ethisch vertretbaren Produkt machen – ein Trend, von dessen Höhepunkt wir bestimmt noch hören werden.

Radio SRF 2 Kultur, Passage, 08.01.2021, 20:00 Uhr

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