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Ayahuasca im Trend «Der Hype hat nichts mit dem indigenen Geist zu tun»

Ayahuasca – im Amazonas eine Tradition, im Westen ein Trend. Doch das eine hat mit dem anderen wenig zu tun, sagt Ethnobotaniker Markus Berger.

Zur Person

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Legende: zVg

Markus Berger ist Drogenforscher und Ethnobotaniker. Er ist Mitbegründer von Entheovision, einem Fachkongresses für wissenschaftliche Psychonautik. Zu bewusstseinerweiternden Pflanzen und Methoden, u.a. zu Ayahuasca, hat er zahlreiche Bücher verfasst.

SRF: Die einen nennen Ayahuasca eine Medizin, die anderen bezeichnen es als Droge. Was ist aus Ihrer Sicht die treffendere Bezeichnung?

Markus Berger: Zwischen Droge und Medizin gibt es keinen wirklichen Unterschied. Der Begriff «Droge» kommt aus dem Holländischen und bezeichnete ursprünglich die pharmakologisch aktiven Teile von Pflanzen, die zu Heilzwecken verwendet wurden.

Wir können Ayahuasca als sogenanntes Entheogen bezeichnen: Also als ein Mittel, um das Göttliche im Inneren des Menschen hervorzurufen.

Auf dieser Grundlage können die indigenen Schamanen spirituelle Zustände herbeiführen, wie eben auch eine Heilung in Gang setzen.

Im Allgemeinen wird unter Droge eine Substanz verstanden, die im Stande ist, die Gesundheit zu schädigen – sich negativ auf die Psyche und den Körper auswirkt. Trifft das auf Ayahuasca zu?

Nein, auf gar keinen Fall. Richtig angewendet, kann Ayahuasca keine Schädigung hervorrufen. Aber natürlich wird sie teils falsch zur Anwendung gebracht. Das gilt für alle Pharmaka.

Noch vor wenigen Jahren war Ayahuasca in Europa kaum bekannt. In letzter Zeit ist das Interesse stark gestiegen, das zeigt sich auch in den sozialen Medien. Woher das grosse Interesse?

Es gibt in den letzten Jahren tatsächlich einen Trend, was Ayahuasca betrifft. Vielleicht wäre Hype noch treffender. Woher das kommt, ist nicht wirklich nachzuvollziehen.

Ayahuasca soll das Göttliche im Inneren des Menschen hervorrufen.

Ich denke, die Weltlage ist ein Grund, warum solche psychedelischen Katalysatoren von zunehmenden Interesse sind. Wenn man sich die Welt anschaut, erscheint sie zunehmend destruktiver.

Es geht nur noch um Geld und Macht, daher werden spirituelle Werte für die Menschen immer wichtiger. Aus diesem Bedürfnis heraus ist auch das Interesse an Ayahuasca, LSD, Mescalin und so weiter gestiegen.

Buchhinweis

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Markus Berger: «DMT: Forschung, Anwendung, Kultur». AT Verlag, 2017.

Ayahuasca besteht hauptsächlich aus zwei Wirkstoffen, die in zwei verschiedenen Pflanzen aus dem Dschungel im Amazonasgebiet enthalten sind. Was weiss man über die Entwicklung dieser Droge?

Darüber kann man nur spekulieren. Wenn man südamerikanische Schamanen fragt, wie sie eigentlich unter den Millionen von Dschungelpflanzen diese Kombination entwickelt haben, dann sagen sie, dass die Pflanzengeister selbst sie ihnen verraten haben.

Wozu wurde Ayahuasca denn traditionell verwendet?

Zu denselben Zwecken wie heute auch: Zur Heilung von physischen und psychischen Krankheiten, zur Bewusstseinserweiterung, aber auch für ganz alltägliche Dinge. Etwa um verlorene Gegenstände wieder zu finden – auch dafür wurden die Pflanzengeister durch den Schamanen befragt.

Ayahuasca wurde auch verwendet, um verlorene Gegenstände wieder zu finden.

In Europa bieten immer mehr Personen Ayahuasca-Zeremonien an. Wie beobachten Sie diese Entwicklung?

Ich finde das nicht besonders gut. Diese Ayahuasca-Tradition ist mehrere Jahrtausende alt. Wir vereinnahmen sie nun für unsere Zwecke.

Wir wollen Heilung, schmücken uns mit Kleidung und Artefakten, die nicht unserer Kultur entspringen und finden das irgendwie chic. Es ist eine Mode – und hat nichts mit dem indigenen Geist zu tun, der hinter diesem Mittel steht.

Menschen, die an Ayahuasca interessiert sind, sollten also nach Südamerika reisen?

Wenn überhaupt. Doch auch dort sollte man sich Zeit nehmen, mit den Indigenen zusammenleben und ihre Kultur kennenlernen. Und nicht bloss für einen im Voraus bezahlten Kurztrip in den Amazonas reisen, um seinen Ayahuasca zu trinken und nach zwei Wochen wieder nach Hause zu fliegen.

Das Gespräch führte Simon Jäggi.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 27.12.2017, 9.02 Uhr

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