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Gesellschaft & Religion Gibt uns bald die Apple Watch den Takt vor?

An der Baselworld tummeln sich Uhren- und Schmuckliebhaber aus aller Welt. Hauptthema der Messe sind smarte Uhren. Im Fokus steht auch die Apple Watch, die die Welt revolutionieren will. Hochstapelei, sagt der Historiker Dohrn-van Rossum. Für ihn ist klar: Apples Uhr schreibt keine Uhrengeschichte.

«Die Apple Watch ist ein neues Kapitel in der Beziehung zwischen Mensch und Technologie.» Zumindest, wenn es nach der Werbung ihres Herstellers Apple geht. Ein Vielkönner ist sie, das ist unumstritten. Sie führt ihren Besitzer problemlos an den gewünschten Ort, empfängt und versendet seine E-Mails, registriert wichtige Termine und misst gar seinen Herzschlag. Die Liste der Funktionen ist lang. Aber sind die Funktionen auch aussergewöhnlich genug, um die Revolution auszulösen, die Apple-Mitbegründer Steve Wozniak prophezeit?

Zur Person

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Gerhard Dohrn-van Rossum (geb. 1947) war von 1994 bis 2012 Professor für mittelalterliche Geschichte an der TU Chemnitz. Neben seinem eigentlichen Forschungsgebiet hat er mehrere Werke zu Zeit und Zeitmessung publiziert.

Teuer, unselbständig – und überflüssig?

Gerhard Dohrn-van Rossum bezweifelt, dass die Apple Watch eine Revolution einläuten wird. Der Historiker beschäftigt sich mit Uhren und ihrer Geschichte, hat schon mehrere Werke zum Thema Zeit und Zeitmessung veröffentlicht. «Die Apple Watch ist ein multifunktionales technisches Gerät, das vieles kann, das man nicht mit einer Uhr verbindet. Aber all diese Funktionen haben andere Geräte auch schon – wie etwa das iPhone oder auch andere Smart Watches», sagt Dohrn-van Rossum.

Die Nachfrage, vermutet Dohrn-van Rossum, werde mässig sein. Umfragen der Nachrichtenagentur Reuters und des Marktforschungsunternehmen Survata unterstützen die Einschätzung des Historikers. Auch der Preis, so Dohrn-van Rossum, spiele eine Rolle: Stolze 349 bis horrende 12'000 Dollar soll die Apple Watch je nach Fassung kosten. Kein Schnäppchen – auch weil die Apple Watch nur in Kombination mit einem iPhone funktioniert. Hinzu kommen die umständliche Benutzung und das notwendige Laden des Geräts.

Für ihre «Zeitgenossen» ist die Apple Watch laut Dohrn-van Rossum keine Konkurrenz. Denn obwohl Apple mit seiner Uhr verspricht, «das Beste aus der Zeit zu machen», hat für die herkömmlichen Zeitmesser – die mechanischen Uhren – das letzte Stündchen noch lange nicht geschlagen.

Buchhinweis

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Gerhard Dohrn-van Rossum: «Die Geschichte der Stunde. Uhren und moderne Zeitordnungen», Anaconda, 2007.

Im schönen Glanz einer zeitlosen Tradition

«Die mechanische Uhr stirbt nicht aus. Sie ist ein Objekt für Sammler mit einem gewissen Snob-Appeal – und eine nostalgische Erinnerung an eine glorreiche technische Geschichte. Mechanischen Uhren üben eine Faszination aus und werden es immer tun», so Dohrn-van Rossum. Dieser Tradition sei sich auch Apple bewusst. Dass Apple ein neues Gerät in Form einer Uhr herausgibt, ist also kaum ein Zufall. Denn die Uhrform verleiht Apples Gerät einen Hauch vom Glanz einer revolutionären Erfindung.

«Im 14. Jahrhundert revolutioniert die mechanische Uhr zuerst das Leben der Europäer und dann der restlichen Welt», erläutert Dohrn-van Rossum. Im 17. Jahrhundert kommen dann die Pendeluhren auf: Die Uhr wird genauer, die Abweichung der früheren Uhren von 15 bis 20 Minuten pro Tag wird zu Bruchteilen von Sekunden reduziert. In den 1960er-Jahren folgt ein weiterer grosser Schritt: Quartz-Elemente werden zur Regulierung der Uhr verwendet. Die Uhr wird noch präziser – und vor allem billiger. Bald ziert sie die Handgelenke einer breiten Bevölkerung.

Grosse Revolution aus einem kleinen Land

Auch eine Schweizer Uhrenfirma spielt später eine wichtige Rolle. Am 1. März 1983 wird in Zürich die Swatch lanciert. Der Beginn einer neuen Ära in der Geschichte der Uhr: «Die Swatch war revolutionär. Sie hielt einerseits den Niedergang der schweizerischen Uhrenindustrie auf und machte die Schweiz zu einem führenden Herstellerland. Andererseits machte die Swatch die Uhr zu einem modischen Accessoire. Man hat jetzt nicht mehr eine, sondern mehrere Uhren.» Daher auch der Name: Swatch kommt nämlich nicht von «Swiss Watch», sondern von «Second Watch», der zweiten Uhr.

Doch zurück ins Jahr 2015. Wird in Zukunft jeder eine Apple Watch tragen, wie früher auch fast jeder eine Swatch trug? Oder wird die Apple Watch zum Nischenprodukt für Freaks?

Für Dohrn-van Rossum bleibt klar: «Ich glaube nicht, dass die Apple Watch eine ernsthafte Konkurrenz zur Swatch oder auch für andere mechanische Uhren sein kann.» Das berühmte «One more thing» von Apple könnte also nur ein weiteres Ding sei – oder eine weitere Uhr in der Geschichte. Aber eben: Die Zeit vorspulen kann keiner. Weder die Apple Watch noch andere Uhren.

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