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Himmelsscheibe von Nebra Ganoven-Krimi um einen archäologischen Schatz

Die berühmte Himmelsscheibe von Nebra ist derzeit in Berlin zu sehen. Die Odyssee der Scheibe, von Grabräubern vor Jahren illegal ausgegraben, endete aber einst in Basel.

Die legendäre Himmelsscheibe von Nebra: Sie ist eine archäologische Sensation. Zwei Grabräuber haben sie 1999 in Sachsen-Anhalt entdeckt, zwei Jahre später tauchte sie auf dem illegalen Kunstmarkt auf.

Seither ist die schallplattengrosse, 3600 Jahre alte Scheibe mit den Himmelsgestirnen und geheimnisvollen Zeichen regelmässig in den Schlagzeilen. So auch jetzt wieder – als Mittelpunkt einer grossen Ausstellung in Berlin.

Aktuelle Ausstellung

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Die Himmelsscheibe von Nebra vom 21. September 2018 bis zum 6. Januar 2019 im Rahmen der Ausstellung «Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland» in Martin-Gropius-Bau in Berlin zu sehen.

Unter dem Pullover versteckt nach Basel

Die wertvolle Scheibe hat eine skurrile Fundgeschichte, die 2002 mit einer Polizeiaktion in Basel endete. Damals traf sich der deutsche Archäologe Harald Meller mit zwei Hehlern, welche die Himmelsscheibe in Plastikfolien eingewickelt unter dem Pullover versteckt nach Basel gebracht hatten.

Kai Michel, der zusammen mit Harald Meller das Buch zur aktuellen Ausstellung in Berlin verfasste, beschreibt die beiden Hehler als «eine blonde Dame um die 40 und ein grauhaariger Herr, Typ Oberstudienrat, gut 20 Jahre älter als sie.»

Bis die Polizei zuschlug

Der Archäologe Harald Meller, getarnt als potenzieller Käufer, traf die beiden in einer Hotelbar. Im Hintergrund überwachte die Basler Polizei die Undercover-Aktion. Unter dem Vorwand, die Echtheit der Fundstücke zu prüfen, hielt der Archäologe die beiden hin – bis sie die Polizei verhaftete.

So kam die Himmelsscheibe letztlich in die Hände des rechtmässigen Besitzers: des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle, Sachsen-Anhalt. Denn dieses Bundesland kennt das sogenannte «Schatzregal»: Was immer in Sachsen-Anhalt gefunden wird, bleibt in dessen Besitz.

Ein Mann mit weissen Handschuhen hält eine türkisfarbene Scheibe mit goldener Sonne, Mond und Sterne
Legende: Da hatte er den Krimi bereits hinter sich: Archäologe Harald Meller mit der Himmelsscheibe im Jahr 2004. Reuters

Wie aber erfuhr Archäologe Harald Meller überhaupt von der Existenz der Scheibe? Grund waren die Hehler selbst: Bereits vor einem Jahr hatte der «Typ Oberstudienrat» die Scheibe einem Berliner Museumsdirektor angeboten – für eine Million D-Mark. Dabei erwähnte er, dass die Scheibe aus Sachsen-Anhalt stammt.

Unverzüglich hatte der Berliner Museumsdirektor seine Informationen an Harald Meller weitergegeben, der damals Direktor des zuständigen Museums in Halle war. Darauf machte sich Meller auf die Jagd nach Dieb und Scheibe.

Eine wissenschaftliche Sensation

Erst mit der spektakulären Polizeiaktion in Basel geriet die Himmelsscheibe erstmals in die Schlagzeilen. Die Medienresonanz war gigantisch: Sollte sie echt sein, wäre sie wissenschaftlich eine Sensation. Niemand hatte bisher vermutet, dass die Mitglieder der unbekannten Aunjetitzer Kultur handwerklich und astronomisch zu solchen Höhenflügen fähig waren.

Ein Mann beobachtet eine Maschine, die auf die Himmelsscheibe von Nebra gerichtet ist
Legende: Kaum ein anderes archäologisches Objekt wurde so eingehend wissenschaftlich untersucht wie die Himmelsscheibe von Nebra. Keystone

Je länger sich die Heerscharen an Wissenschaftlern mit der Scheibe beschäftigen, desto klarer tritt das Bild einer komplexen Kultur zu Tage, die in ganz Europa Kontakte pflegte und unser Bild der Frühzeit völlig verändert.

Die ahnungslosen Räuber

«Die Himmelsscheibe gehört seitdem zu jenen archäologischen Objekten weltweit, welche die grösste Forschungsleistung pro Quadratzentimeter Fläche auf sich vereinen», schreiben Kai Michel und Harald Meller in ihrem Buch.

Der Medienrummel um die Himmelsscheibe erreichte auch die beiden bis dahin unbekannten Grabräuber, welche die Scheibe in der Nähe von Nebra einst illegal zu Tage gefördert hatten.

Wohl hatten die zwei Kleinkriminellen realisiert, dass es sich um etwas Besonders handelte – immerhin waren die applizierten Gestirne auf der Scheibe aus Gold. Was sie aber tatsächlich in den Händen gehalten hatten, erfuhren sie erst durch die Medien.

Lukrativer Handel mit geraubtem Schatz

Die Grabräuber hatten damals die Scheibe an einen Zwischenhehler verkauft – und dafür gerade mal 32'000 D-Mark erhalten. Der Zwischenhehler verkaufte das Raubgut dann für 230'000 D-Mark weiter an den «Typ Oberstudienrat», der seinerseits eine Million D-Mark rausschlage wollte.

Der Frust der ursprünglichen Grabräuber wuchs ins Uferlose, als sich der Zwischenhehler mildernde Umstände verschaffte, indem er ihre Namen verriet und den wahren Fundort der Scheibe preisgab.

Verurteilte Schatzräuber statt Helden

Und: Gäbe es in Sachsen-Anhalt diese Klausel namens «Schatzregal» nicht, dann würde der Fund jetzt ihnen, den eigentlichen Findern, gehören. Sie wären Helden und nicht auf Bewährung verurteilte Schatzräuber.

Bei der Fundstelle in Nebra steht heute eine grosse Ausstellungshalle. Dort wird diese Geschichte als Kasperletheater aufgeführt.

Buchhinweis

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Harald Meller und Kai Michel: «Die Himmelsscheibe von Nebra: Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas». Propyläen, 2018.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 25.10.2018, 9 Uhr

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