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Im Handarbeitsunterricht ein «Putzroböterli» bauen
Aus Kontext vom 23.10.2018. Bild: Keystone / GAETAN BALLY
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Informatik im Unterricht «Wir können in ein paar Jahren an der Spitze sein»

In Singapur lernen bereits Fünfjährige spielend programmieren. Mit dem neuen Lehrplan 21 sollen nun auch in der Schweiz Schulkinder in die digitale Welt eingeführt werden.

In Gymnasien wird der Informatikunterricht bis 2022 zum Pflichtstoff. Dies bedeute nicht, dass Kinder und Jugendliche im Klassenzimmer vermehrt vor dem Computer sitzen, sagt Juraj Hromkovic.

Der ETH-Professor für Informationstechnologie und Ausbildung ist überzeugt: Ein guter Informatikunterricht fördert das eigenständige Lernen sowie das kritische und kreative Denken.

Juraj Hromkovic

Juraj Hromkovic

Professor für Informationstechnologie, ETH Zürich

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Juraj Hromkovic ist seit Januar 2004 Professor für Informationstechnologie und Ausbildung an der ETH Zürich. Um die Einführung der Informatik als Schulfach in der Schweiz zu fördern, gründete er 2005 das Ausbildungs- und Beratungszentrum für den Informatikunterricht, dessen Leiter er heute ist.

SRF: Früher nähten Kinder im Handarbeitsunterricht Küchenschürzen, heute basteln und programmieren sie ein «Putz-Roböterli», das den Tisch wischt. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie hierzulande die junge Generation an die digitale Technologie herangeführt wird. Wie steht die Schweiz im Vergleich zu anderen Staaten da?

Wenn wir die Schweiz etwa mit osteuropäischen Ländern vergleichen, haben wir einen riesigen Nachholbedarf. In der Tschechoslowakei, wo ich zur Schule ging, hatten wir in den 1970er-Jahren wöchentlich vier Stunden Informatikunterricht. Diese Länder haben sehr viel Erfahrung und einen anspruchsvollen Informatikunterricht.

Die Digitalisierung ist als Entwicklung einer Sprache zu verstehen.

Die Schweiz, Westeuropa und die USA haben den Fehler gemacht, ihn auf eine Art Computer-Führerschein zu reduzieren. Sie haben jetzt aber erkannt, dass Informatik als eigenständiges und unabhängiges Fach unterrichtet werden sollte.

Der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, Economiesuisse, fordert, dass die Schulen den Informatikunterricht ausbauen sollen. In der öffentlichen Debatte ist sogar von einer «digitalen Mobilmachung» die Rede. Welche wirtschaftspolitische Bedeutung hat die Informatik?

Sie ist entscheidend für eine innovative Wirtschaft. Berufsleute können ohne Informatikkenntnisse nicht innovativ sein. Wir wissen, dass in vielen Branchen Produktionsabläufe automatisiert werden. Wer sich in Zukunft in seinem Beruf behaupten will, muss diese Automatisierungsprozesse von Grund auf verstehen.

Wenn wir den Informatikunterricht jetzt umsetzen, können wir in ein paar Jahren an der Spitze sein.

Der Informatikunterricht hat deswegen heute die gleiche Bedeutung wie der Mathematikunterricht zur Zeit der technischen Revolution. Einen guten Informatikunterricht zu etablieren, ist durchaus möglich, denn die Schweiz hat ein gutes Bildungssystem. Wenn wir das jetzt umsetzen, können wir in ein paar Jahren an der Spitze sein.

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Der digitale Schüler
Aus SRF school vom 21.02.2018.
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Die ETH unterstützt die Pädagogischen Hochschulen darin, Lehrpersonen für dieses Fach auszubilden. Was macht ein guter Informatikunterricht aus?

Wichtig ist, dass Sie mit den Grundlagen beginnen. Sie fangen im Physikunterricht auch nicht mit der Quantenphysik und der Relativitätstheorie an, denn Sie würden gnadenlos scheitern. Zuerst muss gelehrt werden, wie sich die Informatik entwickelt hat.

Die Digitalisierung ist als Entwicklung einer Sprache zu verstehen. Eine digitale Information entspricht einer Folge von Symbolen, wie sie vor 5000 Jahren mit der Schrift in Mesopotamien entstanden ist.

Informatiker entwickeln Schriften zu verschiedenen Zwecken. Sie tun dies zum Beispiel, um Daten zu sichern, vergleichbar mit einer Geheimschrift. Ein passender Einstieg in das Fach könnte sein, Kinder und Jugendliche selbst eine Geheimschrift entwickeln und ausprobieren zu lassen.

Welche Rolle sollen dabei die Lehrerinnen und Lehrer einnehmen?

Sie sollen die Kinder zu Entwicklern erziehen. Sie unterstützen sie beim Experimentieren und beim Überprüfen von Thesen. Sie vermitteln die Haltung, erst einmal nichts zu glauben, was sie nicht verstehen. Wenn junge Menschen so geschult werden, werden sie beim Lernen selbständiger, denken eigenständig und kritisch und werden so auch zu besseren Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern erzogen.

Ich bin schon oft bei einem solchen Informatikunterricht dabei gewesen. Er kommt gut an, weil es für die Kinder sehr motivierend ist, etwas selber zu entwickeln. Wenn sie dabei nicht mehr weiterkommen, steht ihnen die Lehrperson zur Seite, und sie versuchen, gemeinsam und konstruktiv das Problem zu lösen.

Das Mass der Dinge ist dabei wie in jedem anderen Fach auch, ob die Lehrperson es schafft, eine gute Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern aufzubauen.

Das Gespräch führte Sabine Bitter.

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