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Kreativer Ort, hartes Pflaster Wer in New York Kunst macht, ist arm dran

Das Künstlerdasein in New York ist hart. Das Gleichgewicht zwischen dem, was die Metropole fordert und dem, was sie bietet, ist prekär. Nun werden Lösungen gesucht.

Das Wichtigste in Kürze

  • New York gilt als Kulturmetropole schlechthin und zieht viele Kreative an.
  • Eine neue Studie zeigt: Das Leben vieler New Yorker Kulturschaffender ist prekär.
  • Künstlerinnen und Kreativen verdienen wenig, zudem fehlt ihnen Raum zum Wohnen und Arbeiten. Dafür sucht New York nun Lösungen.

Vor einigen Wochen wurde in East Harlem eine Anlage mit subventionierten Wohnungen für Künstler eröffnet. Hätten alle Bewerber dafür vor Ort Schlange gestanden, wäre vermutlich die New Yorker Polizei angerückt, um einen Volksaufstand zu verhindern: Für die 89 Unterkünfte gab es 53'000 Anwärter. Dieses Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ist symptomatisch.

Eine Ballettänzerin in New York.
Legende: In New York als Tänzerin, Musiker, Malerin durchzustarten, davon träumen viele. Reuters

Zwischen Aufwertung und Profit

Der chronische Mangel an erschwinglichem Wohnraum betrifft keineswegs nur Kulturschaffende. Doch sind es oft gerade kreative Typen, die verlotterte Viertel durch ihre Anwesenheit und Arbeit aufwerten. Nur um dann von gut betuchten Profiteuren daraus verdrängt zu werden.

Tatsächlich hat der Kulturbeauftragte New Yorks, Tom Finkelpearl, Kulturschaffende neben Senioren und Veteranen als Gruppe bezeichnet, die von der sogenannten Gentrifizierung besonders gefährdet sind.

Kulturförderung in USA

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Künstler ohne Material

Eine Studie des städtischen Kulturdepartements belegt nun erstmals mit Zahlen, wie es um die Lebensqualität der Kreativmenschen in New York bestellt ist. Das Resultat: schlecht.

Die Kultur bringt der Stadt jährlich über 130 Milliarden Dollar ein. Dafür sorgen geschätzte 250'000 Leute, die in diesem Sektor beschäftigt sind. Von diesen können sich aber beinahe die Hälfte nicht einmal die Materialien leisten, die sie zum Kreativsein benötigen.

Und das, obgleich die überwiegende Mehrheit der Kunstschaffenden auch einem Brotjob nachgeht – also keineswegs bloss mit Farbspritzern auf der Hose oder Musik im Kopf herumläuft und darauf wartet, entdeckt zu werden.

Ein Mythos, eine Realität

Dass New York nach wie vor Tausende von Kulturschaffenden aus aller Welt anzieht, liegt an Mythos und Realität zugleich. Seit dem Zweiten Weltkrieg gilt New York als Kulturmetropole schlechthin. Mit der einzigartigen Dichte hochkarätiger Museen, Bühnen und Akademien, und mit seiner aktiven Kulturszene wird die Stadt diesem Ruf durchaus gerecht.

Lieblingsarena der Kunstgeneigten

Hier finden Künstler grosse und kleine Plattformen, hier sind die Drahtzieher und das Geld. Produzenten, Agenten und ihresgleichen verhelfen zu Karrieren. Stiftungen und Mäzene finanzieren sie. New York ist die Lieblingsarena dieser Akteure.

Hinzu kommt das Publikum. Es ist in dieser Stadt so zahlreich und neugierig wie kaum sonst irgendwo – und schliesst die Kritiker der einschlägigen Medien mit ein. Wer auf sich aufmerksam machen will, muss es, zumal in den USA, in New York versuchen. In Boise, Idaho, würde selbst ein zweiter Michelangelo verschnarcht.

Nur: Wie kann eine Kunsthistorikerin mit frischem Doktortitel und noch frischerer Stelle als Assistenzkuratorin am Whitney Museum mit 31'000 Dollar pro Jahr überleben? Ohne Sozialleistungen, die im Kultursektor ohnehin praktisch inexistent sind? Und in einer Stadt, in der eine Ein-Zimmer-Wohnung durchschnittlich 2300 Dollar kostet? Wie gelingt das einer angehenden Tänzerin oder einem Schauspieler?

Mehr Unterricht, mehr Ateliers

New Yorks Behörden wissen, wie viel die Stadt dem Kulturtourismus verdankt. Deshalb will man mit einer Kulturinitiative manche Missstände angehen. So soll der Kunstunterricht an öffentlichen Schulen gefördert werden, was mehr Jobs für Kulturschaffende mit sich brächte – und damit Sozialleistungen.

Die 156 Millionen Dollar, die sich New York die Kultur jährlich kosten lässt – mehr als jede andere amerikanische Stadt und als der Bundesstaat an sich – sollen künftig vermehrt an kleine Kulturorganisationen verteilt werden. Bisher gehen sie zu zwei Dritteln an Institutionen wie das Metropolitan Museum oder die Carnegie Hall, die darauf weit weniger angewiesen sind.

Auch mehr öffentlich finanzierte Ateliers sind geplant. Die Warteliste dafür reicht allerdings jetzt schon fünfmal den Broadway hinauf und hinunter.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 7.6.17, 17:08 Uhr

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