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Gesellschaft & Religion Wie die Musik im kriegsversehrten Libanon ihren Platz sucht

15 Jahre zerstörerischer Bürgerkrieg sorgten dafür, dass im Libanon vor allem die Bauindustrie boomt. Für Kultur haben Regierung und private Geldgeber so gut wie keine Mittel – und anscheinend auch nicht viel Interesse. Und doch existieren im Libanon hochinteressante Musikprojekte.

Der Libanon lag nach dem bis 1990 dauernden Bürgerkrieg zwischen christlichen und muslimischen Milizen in Schutt und Asche. Vom Wüten der Strassenkämpfe zeugen noch heute Gebäuderuinen mit zahllosen Einschussstellen, neben denen sich nagelneue Luxuswohntürme erheben.

Wer konnte, ergriff die Flucht und setzte sich mit Familie und Geld ins sichere Ausland ab. So machte es auch Myrna Bustani, Gattin eines schwerreichen Unternehmers und maronitische Christin. Von London aus beobachtete sie nicht nur das Geschehen in ihrer leidgeprüften Heimat, sondern überlegte sich auch, was sie nach dem Ende der Gefechte für ihr Land tun könnte.

Musik im Hotel

Die passionierte Klavierspielerin ist davon überzeugt, dass man mit Musik Menschen zusammenbringen kann. 1994 organisierte sie deshalb das erste Al-Bustan-Festival – in ihrem eigenen, grossen Luxushotel auf einem Hügel in Beit Meri, rund 800 Meter über Beirut.

Zwei Opernsänger vor einem Orchester.
Legende: Die russische Helikon Opera Company zeigt beim Al Bustan Festival in Beirut Wagner-Opern. zvg

Das fünfwöchige Festival findet jeweils zwischen Februar und März statt und wird von befreundeten, privaten Sponsoren mitfinanziert. Klassische Musik, Oper, Jazz und zeitgenössische Werke bietet das Festival, das einzige seiner Art im Libanon.

Für ein Opernhaus kein Geld

Weder in Beirut noch anderswo im Land existiert ein Opernhaus. Bustanis Festival präsentiert pro Jahre zwei bis drei Opern im hoteleigenen grossen Auditorium. Ihr Versuch, die Wohlhabenden ihres Landes, von denen es dank extrem steuerfreundlicher Gesetze eine Menge gibt, vom Projekt eines Opernhauses zu überzeugen, trug bisher keine Früchte. Oper gibt es bis jetzt nur im Bustan-Hotel.

Für Konzerte steht im gesamten Libanon nur eine einzige Halle zur Verfügung, der Unesco Palace in Beirut, akustisch keine gute Lösung. Harout Fazlian ist Direktor des Lebanese National Symphony Orchestra. Er beklagt den Umstand, immer wieder in Kirchen auftreten zu müssen, weil keine entsprechenden Musiksäle zur Verfügung stehen.

Orchester auf einer Bühne
Legende: Das Lebanese Philharmonic Orchestra beim Al Bustan Festival 2012. zvg

Nur ein einziges Symphonieorchester

Das Nationalorchester, 1999 gegründet, gehört zum Konservatorium in der Hauptstadt und wird komplett vom Staat finanziert. Zwischen Oktober und Juni bietet es 30 symphonische Konzerte, alle gratis.

Fazlians Ziel ist es, wie das von Myrna Bustani, mehr Libanesen für klassische Musik zu interessieren, um auf diese Weise die Regierung davon zu überzeugen, endlich mehr Geld in diesen Kulturzweig zu investieren.

Musik für Palästinenserkinder

Unter den von privaten Geldgebern finanzierten Kulturprojekten im Libanon sticht das «Al Sununu»-Projekt der Elena-Rostropovich-Stiftung in Paris hervor. Zirka 700 Palästinensische Flüchtlingskinder, die im Gazastreifen sowie in Flüchtlingscamps bei Jerusalem und im Südbeiruter Stadtteil Shatila in menschenunwürdigen Slums leben, bietet die Einrichtung Musikunterricht.

Der Stiftung geht es um die Vermittlung der palästinensischen Musikkultur. Ziel ist es, den Kindern den Reichtum der Musik ihres Volkes nahe zu bringen. In Shatila ist die Stiftung in einer vom UN-Flüchtlingskommissariat finanzierten Schule präsent.

Musikschule der «Partei Gottes»

Audio
Thomas Migge über das Al Bustan Festival in Beirut
aus Kultur kompakt vom 10.03.2014.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 46 Sekunden.

Fast keine der Regierungsparteien investiert in Musikkultur. Einzig die umstrittene und in Europa als Terrororganisation eingestufte Hisbollah («Partei Gottes») finanziert eine kleine Musikschule im Beiruter Stadtteil Dahieh.

In dieser Schule werden Kinder von Hisbollah-Anhängern in klassischen westlichen Musikinstrumenten ausgebildet. Eine musikpädagogische Realität, die den meisten Beirutern unbekannt ist. Vor allem deshalb, weil in Dahieh seit Monaten Autobomben Menschen in den Tod reissen und das Viertel von jenen, die dort nicht leben, gemieden wird.

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