Am diesjährigen Davos Festival schreiben nicht nur gestandene Journalisten ihre Eindrücke nieder, sondern auch Jugendliche zwischen 11 und 19 Jahren. Im Rahmen des Projekts «Junge Reporter, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen» führen sie Interviews, porträtieren die auftretenden Künstler und schreiben Konzertbesprechungen. Die Berliner Musikjournalistin und Medientrainerin Julia Kaiser hilft ihnen dabei – mit praktischen Tipps und manchmal auch mit emotionaler Unterstützung.
Die Artikel der Jugendlichen erscheinen in der «Davoser Zeitung» und im «Bündner Tagblatt» – und dieses Jahr auch auf SRF 2 Kultur. Eine Auswahl textlicher Kostproben gibt es hier:
Yves Man, 10, porträtiert Pianist Joonas Ahonen
Als wir Joonas Ahonen beim Proben besuchen wollen, kommt er uns gerade zusammen mit dem Geiger Jonian Ilias Kadesha aus der Musikschule entgegen, weil sie Kaffeepause machen möchten. Aber für uns spielen sie extra noch einmal. Es sieht manchmal aus, als ob der Geiger tanzen würde, Joonas dagegen sitzt beim Spielen ganz ruhig. Einmal betont er den letzten Ton und seine Hand fliegt in die Luft. Meine Klavierlehrerin sagt immer: Der erste und der letzte Ton sind die wichtigsten. Der erste muss gut klingen, damit das Publikum richtig zuhört, und der letzte muss gut klingen, damit man das Lied schön beendet. Ich glaube, Joonas weiss das auch. Er sagt, er spielt jeden letzten Ton so, wie er ihm in dem Moment einfällt.
Stefan Man, 12, porträtiert Pianistin Oliwia Grabowska
Ich höre ein virtuoses Stück hinter einer Tür der Musikschule, wo die Künstler des Davos Festivals proben. Ich will erst reingehen, wenn das Stück zu Ende ist. Doch es hört nicht auf. Deshalb klopfe ich an und stecke den Kopf rein. Eine Frau mit langen braunen Haaren sitzt am Klavier, sie heisst Oliwia Grabowska. Ich frage sie, ob wir zuschauen dürfen und was das für ein Stück ist. Oliwia erklärt, es sei ein Stück von Robert Schumann mit dem Namen «Kreisleriana». Schumann mochte den Autor E. T. A. Hoffmann sehr. Als er seine Geschichte über den Kapellmeister Fritz Kreisler las, war er beindruckt. Schumann fand, er sei selber wie Kreisler ein bisschen verrückt. Deshalb nannte er seine Stücke «Kreisleriana».
Tim Knoflach, 13, über das Ensemble Federspiel
Die sieben Musiker aus Wien spielen Trompete, Flügelhorn, Posaune, Tuba und Klarinette. Wenn man das Wort Blasmusik hört, denkt man an tiefe und schwere Klänge, aber Federspiel tönen auch ganz leicht, eben federleicht. Dazwischen singen oder jodeln sie, klatschen rhythmisch und erzeugen Geräusche auf ihren Instrumenten, die gar nichts mit Blasen zu tun haben. Ein Stück beschreibt New York, am Anfang sieht oder hört man die Stadt am Morgen, es ist noch nicht viel los und alles tönt wie im Nebel. Die Musiker klopfen auf die Mundstücke, das bringt ein gedämpftes Wumm hervor. Dann wird alles klarer und lauter, nach und nach fangen sie an zu spielen und aus den Geräuschen wird Jazz, New York an einem sonnigen Tag. Wenn man junge Musiker in Lederhosen sieht, denkt man eigentlich an Dorfmusik, aber bei Federspiel kommt immer etwas Unerwartetes.
Stefan Man, 12, über den MusiCircus
Vor dem Haupteingang sind schon viele bunte Luftballons zu sehen. Es sieht aus wie eine Kindergeburtstagsparty, aber im Hotel ist MusiCircus. Im ganzen Haus, auf der Terrasse und im Garten sind Musiker verteilt. Erst spielen alle 25 Ensembles vor sich hin, aber vor dem Anfang von John Cages Stück bittet Festivalintendant Reto Bieri um absolute Ruhe. Danach kommt das Zeichen. Ein lauter Gongschlag und es fängt an. Man kann den MusiCircus als Chaos bezeichnen, aber wenn man genau hinhört, hört man hunderte von Melodien.
Yves Man, 10, über das Zauberklangrad
Lukas Rohner hat sein eigenes Instrument erfunden, das Zauberklangrad. Es ist ein Holzkörper mit einer Velofelge oben drauf. Eine kaputte Felge, sagt Lukas, ist zwar billiger als eine neue, aber sie tönt nicht sehr gut. Die neue Felge ist sogar gestimmt. Er dreht das Rad und nimmt einen Stock, der über die Speichen rattert, oder einen Violinbogen zum Spielen. Mit dem Bogen klingt es wie eine Schleifmaschine, aber viel feiner. Ich probiere es auch mal selber aus, aber das ist sehr schwierig, denn man muss sehr viel nachdenken, was die Füsse und die Hände zu tun haben und in welchem Rhythmus man spielen möchte. Aber es tönt toll. Im Chaos des MusiCircus hört man Lukas' Musik aber kaum.
Tim Knoflach, 13, über die lustigsten Musiker des MusiCircus
Die lustigsten Musiker beim MusiCircus waren ein paar Sänger vom Davos Kammerchor, die im Lift versteckt waren. Immer wenn die Türen sich öffneten und jemand einsteigen wollte, waren Luftballons im Lift und drei junge Männern, die ihm etwas vorsangen. Ich fuhr eine Weile mit, und sie hörten nie auf zu singen. Nur wenn das Lied zu Ende war, diskutierten sie kurz, welcher Song als nächstes drankommen sollte. Wenn dann Leute einstiegen, drückten sie auf alle Knöpfe und fuhren sogar ein, zwei Geschosse weiter, als sie eigentlich wollten, damit sie noch ein bisschen länger zuhören konnten.