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Zum Tod von Tomasz Stanko Der Klang von Tomasz Stankos Trompete liess niemanden kalt

Der polnische Jazztrompeter Tomasz Stanko ist gestern im Alter von 76 Jahren gestorben. Der europäische Jazz verliert eine seiner wichtigsten Stimmen.

Rau, melancholisch, herzzerreissend – der Klang von Tomasz Stankos Trompete lässt niemanden kalt. An diesem Klang hat sich der polnische Jazzstar sein Leben lang abgearbeitet.

Diesen Klang hat er modelliert, gepflegt und manchmal wie aus einem Steinbruch herausgehauen. Dieser Klang hat Charakter und er ist nicht nur für Eingeweihte von hohem Wiedererkennungswert.

Audio
Tomasz Stanko, mit Peter Rüedi
aus Jazz Collection vom 15.04.2014. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 1 Minute 2 Sekunden.

Tomasz Stanko brauchte nicht viele Töne, um mit seiner Musik eine Geschichte zu erzählen. Üppige, ausschweifende Linien mit Girlanden und Verzierungen, das war nicht der Kern seiner Kunst.

Der 1942 im polnischen Rzeszow geborene Trompeter gestaltete viel lieber diesen einen Ton, der zählt. Den Ton, an dem man sich erinnert.

Immer wieder Komeda

Eines seiner beliebtesten Vehikel für diese Arbeit waren die Stücke des berühmten polnischen Jazzpianisten und Filmmusikkomponisten Krzysztof Komeda. Genauer: der Filmsoundtrack zu Roman Polanskis Klassiker «Rosemary's Baby».

In seiner Komeda-Hommage «Litania» von 1997 stellte Stanko diesen Soundtrack ins Zentrum. Mehr noch: Er lieferte vom Wiegenlied «Sleep Safe And Warm» gleich drei unterschiedliche Versionen.

Das kommt nicht von ungefähr. Komeda holte Stanko bereits in den frühen 60er-Jahren in seine Band, förderte und präsentierte ihn einem breiteren Publikum.

Tomasz Stanko nutzte die Bühne, die ihm geboten wurde und entwickelte konsequent seine eigenen musikalischen Ideen weiter.

Wegbereiter des europäischen Free Jazz

Der Free Jazz in der Tradition eines Ornette Coleman hatte es ihm angetan und natürlich auch dessen Trompeter Don Cherry. Unter diesem Einfluss war Stanko einer der frühen Wegbereiter und Exponenten des europäischen Free Jazz. Schnell erhielt er Einladungen im Westen – immer wieder in Hamburg, aber auch in Skandinavien und England.

Pausen spielen in Tomasz Stankos Musik eine zentrale Rolle. Er mass ihnen stets eine so grosse Bedeutung bei, wie etwa auch Miles Davis. Sein vielbeachtetes Debüt «Balladyna» erschien 1975 beim renommierten Plattenlabel ECM Records des Produzenten Manfred Eicher.

Mut zur Pause

Dann nahm er 15 Jahre lang nicht mehr als Leader eigener Bands für ECM auf. Erst ab den 90er-Jahren entwickelte der Trompeter eine gewisse Konstanz und wurde seinerseits zum Entdecker und Förderer junger Talente, wie etwa dem polnischen Pianisten Marcin Wasilewski.

Konstant blieb aber auch in wechselnden Besetzungen die Qualität seines Klangs und die Faszination, die er damit auslöste. Dies nicht zuletzt bei Leuten, deren Sinne stärker auf das Optische fokussiert sind.

Background-Musik für «Homeland»

Für die amerikanische TV-Serie «Homeland» wurde das Stück «Terminal 7» aus dem Album «Dark Eyes» von 2009 als Background-Musik verwendet. Einmal mehr manifestierte sich hier der Klangmagier Tomasz Stanko.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 30.07.2018, 6:10 Uhr.

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