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International «Erdogan heizt die Gewalt weiter an»

Die Ereignisse in der Türkei wiederholen sich: wieder Terror, wieder Ankara, wieder viele Tote. Und wieder kündigt Präsident Erdogan an, noch stärker gegen Terroristen vorgehen zu wollen. Das führe zu nur noch mehr Anschlägen, sagt SRF-Auslandredaktorin Iren Meier.

Iren Meier

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Iren Meier ist SRF-Auslandredaktorin mit dem Spezialgebiet Türkei. Sie war von 2004 bis 2012 Nahost-Korrespondentin und lebte in Beirut. Von 1992 bis 2001 war sie als Osteuropa-Korrespondentin tätig – erst in Prag, dann in Belgrad.

SRF News: Unmittelbar nach dem Anschlag in der türkischen Hauptstadt Ankara lässt Präsident Recep Tayyip Erdogan wieder Stellungen kurdischer Rebellen bombardieren. Heisst das, dass die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK hinter dem Anschlag mit fast 40 Toten steckt?

Iren Meier: Das behauptet die türkische Regierung. Sie liefert bereits die Täterbeschreibung einer 24-jährigen PKK-Kämpferin aus der osttürkischen Stadt Kars. Das Problem ist, dass niemand diese Behauptung nachprüfen kann. Die Regierung verhängte eine Nachrichtensperre, es dürfen nur offizielle Erklärungen verbreitet werden. Die PKK verübte keinen der letzten grossen Anschläge in Ankara oder Istanbul. Zum Anschlag vor einem Monat in Ankara bekannte sich eine kurdische Splittergruppe, und die anderen Anschläge verübten die Terrororganisation Islamischer Staat oder andere Gruppierungen.

Die PKK verübte keinen der letzten grossen Anschläge in Ankara oder Istanbul.

Also hat Erdogan mittlerweile die absolute Deutungshoheit?

Präsident Erdogan hat sich diese Deutungshoheit genommen: Er unterdrückt die Pressefreiheit massiv. In der Türkei gibt es nur noch ganz wenige unabhängige Medien. Allen kritischen Journalisten, die ihren Beruf frei ausüben, droht Erdogan mit Klagen oder Gefängnis.

Istanbul wurde einmal Ziel eines grossen Anschlags, Ankara bereits dreimal. Beides sind wichtige Städte für den Tourismus. Kann Erdogan die Sicherheit im Land nicht mehr gewährleisten?

Erdogan hat immer noch viele Anhänger, die glauben, dass die Regierung nur den Terror bekämpfe.
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Die Deutungshohheit des türkischen Präsidenten
aus Rendez-vous vom 14.03.2016. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 13 Sekunden.

Nein, das kann er nicht. Trotzdem will er der Bevölkerung weismachen, dass er die Anschläge mit noch mehr Eskalation und mit einem noch brutaleren Krieg gegen die PKK und die Kurden eindämmen kann. Erdogan dreht die Spirale noch schneller – mit dem Resultat, dass die Anschläge mitten in Ankara und Istanbul häufiger werden. Tourismus und Wirtschaft leiden extrem, und die Bevölkerung ist stark verunsichert.

Schwächt das alles den Präsidenten in den Augen der Bevölkerung nicht?

Nur bei der Opposition, bei den Liberalen, bei Minderheiten wie den Kurden und bei den Unternehmern. Erdogan hat immer noch sehr viele Anhänger, die glauben, dass die Regierung nur den Terror bekämpfe, ohne mitverantwortlich für seine Entstehung zu sein.

Der Krieg gegen die PKK ist auch ein Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung.

Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise will die EU mit der Türkei verhandeln. Die EU argumentiert, die Türkei sei ein sicherer Drittstaat. Entzieht der jüngste Anschlag in Ankara dieser Beurteilung nicht vollends den Boden?

Doch. Zudem ist diese Ansicht in der EU höchst umstritten. Vermutlich wissen die meisten Regierungen der europäischen Länder, dass die Türkei kein sicherer Drittstaat ist. Das ist auch ohne Anschläge der Fall: Der Krieg gegen die PKK ist auch ein Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung. Das sagen alle wichtigen Menschenrechtsorganisationen und belegen es mit Zeugenaussagen.

Das Gespräch führte Simon Leu.

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