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Barzani will nicht mehr Kurden-Präsident sein
Aus Rendez-vous vom 30.10.2017. Bild: Keystone
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Freies Kurdistan Abstimmung führt direkt in die Sackgasse

Zwar hatte Masud Barzani bei der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der irakischen Kurden fast alle Kurden auf seiner Seite. Doch einen kurdischen Staat wollen weder der Irak noch der Iran. Nun steht Kurdenpräsident Barzani als Verlierer da.

Kurdenpräsident Masud Barzani sah sich als der Wegbereiter der kurdischen Unabhängigkeit. Den irakischen Premierminister Haidar al Abadi wähnte Barzani in einer Position der Schwäche. Doch Abadi liess Regierungstruppen und schiitische Milizen im Auftrag Irans gegen die Kurden aufmarschieren.

Barzani verlor die umstrittene Ölstadt Kirkuk, welche die Kurden als eine Art historische Hauptstadt für sich reklamieren und in den Wirren der Kämpfe gegen die Dschihadisten des IS an sich gerissen hatten. Barzani verlor damit fast die Hälfte der Ölvorräte. Sie hätten eine kurdische Unabhängigkeit wirtschaftlich erst ermöglichen sollen.

Die Vorgeschichte

  • Die irakischen Kurden genossen ab 2005 vor der Besetzung ihrer Gebiete durch die Terrormiliz IS eine gewisse Autonomie innerhalb des Staates Irak.
  • Masud Barazani war seit 2005 gewählter Präsident der Region Kurdistan. Seit 2015 hat er das Amt zwar noch inne, aber ohne verfassungsmässige Grundlage.
  • Das Referendum über die Unabhängigkeit der irakischen Kurden ist am 25. September 2017 abgehalten worden. Das Referendum wurde von Bagdad als illegal bezeichnet.

Doch Bagdad hat sich das Öl zurückgeholt. Premierminister Abadi legt seit der Abstimmung auch sonst die Daumenschrauben an. Die Rede ist davon, dass die Beamtenlöhne wieder direkt aus Bagdad bezahlt werden. Das würde die Autonomiezone zu einer Art besserer Provinz herabstufen. Es würde den dortigen Autoritäten wichtige Instrumente für die Verteilung von Gunst und die Absicherung ihrer Macht nehmen.

Die Hoheit über den kurdischen Luftraum hat Bagdad bereits wieder übernommen. Reisende können nicht mehr mit einem einfachen kurdischen Stempel im Pass die kurdische Autonomiezone direkt besuchen. Sie müssen wieder umständlich über Bagdad einreisen. Bagdad verlangt Mitbestimmung auch bei den Grenzübergängen am Boden. Es liess – um das klarzumachen – sogar Panzer auffahren.

Die Nachbarn vereint gegen Kurdistan

Die einflussreichen Nachbarn, Türkei und Iran, tragen diesen Kurs bis jetzt offensichtlich mit. Zuvor standen sie in einem guten Einvernehmen mit den kurdischen Behörden. Doch das Vorpreschen Barzanis, sein Beharren auf der Volksabstimmung, ging ihnen zu weit.

Kurdische Unabhängigkeitsrhetorik direkt vor der Haustür ist für sie mit ihren eigenen kurdischen Minderheiten eine rote Linie. Wie Barzani das nicht erkennen konnte, bleibt bis heute ein Rätsel.

Die Bösen sind die Amerikaner

Vor dem kurdischen Parlament gestern Abend nahm er erstmals Stellung seit dem Debakel. Jegliche Schuld wies er von sich. Er griff stattdessen die andere grosse Partei des Kurdengebiets, die PUK, an. Er sprach von Verrat und legte nahe, dass diese PUK mit Abadi gemeinsame Sache gemacht habe und er warf den Amerikanern vor, sie hätten zugeschaut. Und damit die Kurden im Stich gelassen.

Auf eine nochmalige Verlängerung seiner Präsidentschaft verzichtet Barzani nun. Was nicht heisst, dass er vollständig abtritt. Das Kurdengebiet ist mehr nach Clanbeziehungen organisiert als nach demokratischen Prinzipien. Er, der Sohn des kurdischen Freiheitshelden Mustafa Barzani, wird im Hintergrund Einfluss behalten.

Nachfolge in beiden grossen kurdischen Parteien nicht geklärt

Dennoch zeichnen sich die Nachfolgekämpfe bereits ab, zwischen zwei Cousins der Familie Barzani. Der eine ist der Sicherheitschef, er ist Barzanis Sohn. Der andere der Premierminister, er ist Barzanis Neffe. Letzterer erhielt letzte Nacht vom Parlament der Autonomiezone eine Reihe von neuen Kompetenzen zugesprochen. Der interne Streit dürfte kaum schon fertig ausgetragen sein. Auch bei der anderen grossen Partei, der PUK, deren Anführer Jalal Talabani wenige Tage vor dem Verlust von Kirkuk starb, ist die Nachfolge nicht geregelt.

Statt dem Traum der Unabhängigkeit durch die Volksbefragung einen Schritt näher zu gekommen zu sein, steht das irakische Kurdengebiet so schwach und zerstritten da wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr.

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