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International «Plötzlich haben wir Al Kaida vor der Haustür»

Am Dienstag haben Dschihadisten in Mossul das türkische Konsulat gestürmt und Dutzende Geiseln genommen, darunter den Generalkonsul. Die Regierung werde alles tun, um die Geiseln zu befreien, sagte der türkische Aussenminister. Doch sie steht nun selbst unter Druck, sagt ein Journalist vor Ort.

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Gespräch mit Journalist Thomas Seibert
aus SRF 4 News aktuell vom 12.06.2014.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 13 Sekunden.

SRF: Scharfe Worte also vom türkischen Aussenminister. Was kann die Türkei wirklich ausrichten?

Thomas Seibert: Im Moment kann die Türkei nicht viel ausrichten. Das ist wohl auch der Regierung in Ankara klar. Die ganze Nacht liefen Krisensitzungen. Laut Medienberichten denkt man zunächst nicht an ein militärisches Eingreifen zur Befreiung der Geiseln. Man setzt auf Verhandlungen mit den Geiselnehmern. Dabei geht es offenbar um Kontakte über Mittelsmänner, die im Moment laufen. Es ist nicht klar, was Isis überhaupt mit den Geiseln will, ob die Gruppe Lösegeld erpressen will oder politische Forderungen hat.

Wurde die Türkei von dieser Geiselnahme kalt erwischt?

Auf jeden Fall. Aussenminister Ahmed Davutoglu hat noch wenige Stunden vor der Einnahme des Konsulats in Mossul erklärt, die diplomatische Vertretung sei sicher, alle notwendigen Massnahmen seien getroffen worden. Unter den Geiseln sind auch mehrere Mitglieder türkischer Spezialeinheiten, die das Konsulat eigentlich schützen sollten. Das Ganze ist sehr peinlich für die Regierung in Ankara. Der Druck auf die Regierung steigt. Es soll auch eine Parlamentssitzung zu dem Thema geben. Das ganze Land ist in Aufruhr.

Wie fallen die Reaktionen in der Türkei heute Donnerstag aus?

Die Opposition wirft der Regierung vor, die ganze Sache verschlafen zu haben, nur auf die Präsidentschaftsambitionen von Ministerpräsident Erdogan zu starren, und deshalb alles andere ausser Acht zu lassen. Sie fordert Konsequenzen von der Regierung. Diese weist jede Verantwortung von sich. Sie sagt, man habe es den Diplomaten in Mossul selbst überlassen, den Zeitpunkt auszuwählen, wann das Konsulat verlassen werden sollte. Man schiebt also den Schwarzen Peter den Leuten vor Ort zu. Ankara wird weiter vorgeworfen, in der Vergangenheit genau die Gruppe Isis in Syrien unterstützt zu haben. Das weist die türkische Regierung zurück.

Thomas Seibert

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Der Journalist Thomas Seibert ist USA-Korrespondent des «Berliner Tagesspiegels». Zuvor berichtete er während 20 Jahren für verschiedene Zeitungen und Radiosender aus der Türkei.

Das Ganze kommt für Erdogan äusserst ungelegen. Er will ja in zwei Monaten Präsident werden. Er muss sich vorhalten lassen, in Fragen der nationalen Sicherheit schwach zu sein.

Warum ist das Thema zentral für die Türkei?

Die ganze Region Nordirak ist äusserst wichtig für die Türkei. Einmal als Öllieferant, denn das nordirakische Kurdengebiet zählt zu den wichtigsten Lieferanten von Rohöl für die Türkei. Weiter ist die nordirakische Autonomiezone ein wichtiger Absatzmarkt für Exporte. Noch wichtiger aber ist, dass die Entwicklung in Mossul der türkischen Öffentlichkeit und der Regierung in den vergangenen Tagen schockähnlich vor Augen geführt hat, dass die Türkei plötzlich mit dem Szenario eine Al-Kaida-Staats an ihrer Südgrenze konfrontiert ist. Isis hat das erklärte Ziel, in östlichen Teilen Syriens und westlichen Teilen Iraks einen islamistischen Staat zu gründen. Beide Regionen grenzen direkt an die Türkei. ‹Plötzlich›, so formuliert es ein bekannter Kolumnist, ‹haben wir Al Kaida vor der Haustür›.

Gerade in der Syrienfrage stand die türkische Regierung international isoliert da. Mit wie viel Unterstützung kann Erdogan nun rechnen?

In der Geiselfrage kann die Türkei mit der Unterstützung ihrer westlichen Partner rechnen. Auch im Vorgehen gehen diese Isis-Gruppe. Konkret glaube ich nicht, dass sich westliche Länder an irgendwelchen Aktionen gegen die Isis-Gruppe im Irak etwa militärisch beteiligen werden. Aber erst einmal kann sich die Türkei darauf verlassen, dass die westlichen Partner zu ihr stehen.

Das Gespräch führte Barbara Peter.

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