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Bundesrat Ignazio Cassis nimmt Stellung zum Rahmenabkommen
Aus Samstagsrundschau vom 20.02.2021. Bild: Keystone
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Beziehungen zur EU Cassis: «Nicht nur Corona macht müde, auch das Rahmenabkommen»

In Brüssel fanden diese Woche weitere Gesprächsrunden zum institutionellen Rahmenvertrag zwischen der Schweiz und der Europäischen Union statt. Bundesrat Ignazio Cassis erzählt in der Samstagsrundschau von Radio SRF weshalb er denkt, dass sich die EU bewegen wird, wieso er Europa nicht als Glaubensfrage sieht und weshalb sich eine gewisse Müdigkeit breit macht.

Ignazio Cassis

Ignazio Cassis

Bundesrat

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Ignazio Cassis ist seit 2017 Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Er wurde 1961 geboren, studierte Humanmedizin, promovierte an der Universität Lausanne und machte einen Master in Public Health. Von 1997 bis 2008 war er Kantonsarzt des Tessins. Cassis war dann während zweier Jahre Präsident der Bundeshausfraktion der Liberalen (FDP), der er seit seiner Wahl in den Nationalrat im Juni 2007 angehört. Von 2015 bis 2017 hatte er das Präsidium der Nationalratskommission für soziale Sicherheit und Gesundheit inne. Cassis war im Jahr 2022 Bundespräsident.

SRF News: Herr Bundesrat, diese Woche hat die dritte Gesprächsrunde zwischen Staatssekretärin Livia Leu und ihrer Gesprächspartnerin auf der EU-Seite, Stéphanie Riso, stattgefunden. Das dritte Gespräch soll sieben Stunden gedauert haben. Wo steht man da?

Ignazio Cassis: Wir sind in der Klärungsphase des Unterschieds zwischen dem Abkommensentwurf vom Dezember 2018 und der Position des Bundesrates vom November 2020. Es gibt ein Delta [Differenz, Anm. d. Redaktion] zwischen diesen beiden Positionen. Die Position des Bundesrates ist eine Position, die die Bereiche, wo der Bundesrat unzufrieden war, so auslegt, dass er zufriedenstellend das Abkommen unterschreiben kann. Jetzt geht es darum, dieses Delta von Ist- und Sollzustand zu klären und auf den Tisch zu bringen. Nachher muss von der Europäischen Union entschieden werden, ob und wie wir dieses Delta füllen.

Wenn ich sie richtig verstehe, geht es darum, zu benennen, dass beide das Gleiche verstehen?

Genau. Wir haben immer von Klärungen und Klarstellungen gesprochen.

Die EU hat immer Druck ausgeübt. Damit leben wir. Das ist Politik.

Der Chefsprecher der EU-Kommission hat am Donnerstag dazu Stellung genommen. Er hat auch von Klärungen gesprochen und gesagt, dass die EU vom Bundesrat erwarte, dass er das Abkommen nun rasch unterzeichne. Wie kommt das bei Ihnen an?

Das war immer die Position der Europäischen Union. Das ist ja nichts Neues. Sie hat immer diesen Druck ausgeübt. Damit leben wir. Das ist Politik.

Können Sie sich überhaupt vorstellen, dass die EU am Schluss zu substanziellen Konzessionen bereit ist, damit das Abkommen in der Schweiz mehrheitsfähig ist?

Das sollten Sie lieber den EU-Pressesprecher fragen. Weil wir jetzt dort diese Diskussionen führen sind wir der Meinung, dass es eine Möglichkeit gibt, dass die EU das macht. Wenn wir jetzt sicher wären, dass die EU das nicht macht, würden wir nicht diese Diskussionen führen.

Wenn die EU einen Abschluss des Rahmenabkommens will, dann erwarten wir, dass sie sich bewegen wird.

Aber die EU hat in unseren Gesprächen immer wiederholt, dass sie zu einem Abschluss des Abkommen kommen will. Und wenn sie das will, dann erwarten wir, dass sie sich bewegen wird.

Weiss man in Brüssel, dass das Abkommen in der Schweiz chancenlos sein wird, wenn diese Konzessionen nicht kommen?

Das ist genau das Ziel der Klärungen. Dass das Delta klar ist und was es braucht, damit der Bundesrat zufriedenstellend unterschreiben kann.

Der Bundesrat will gemäss Kommunikation drei Bereiche in Brüssel thematisieren (Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie, staatliche Beihilfen). Warum geht der Bundesrat nicht weiter und thematisiert die Souveränitätsfrage im Zusammenhang mit der Rechtsübernahme?

Das ist eine transversale Frage. Wenn wir beispielsweise über die Lohnschutzmassnahmen reden, wie wir die umsetzen zum Beispiel, dann ist das implizit auch als Teil der Souveränitätsfrage drin. Wenn wir über die staatlichen Beihilfen diskutieren, dann ist das Teil der Souveränitätsfrage. Der Mechanismus zur Streitbeilegung, das ist auch Teil der Souveränitätsfrage. Das erachtet der Bundesrat so in Ordnung. Das erachtet auch das Parlament in Ordnung, als das Parlament seine Motionen überwiesen hatte.

Die Motion

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Anmerkung der Redaktion: Bundesrat Cassis spricht hier von einer Motion der Aussenpolitischen Kommission aus dem Jahr 2019, die dann vom Parlament angenommen worden ist. Dabei fordert das Parlament Nachverhandlungen bei den drei umstrittenen Punkten, aber nicht bei der Streitschlichtung und damit der Rolle des Europäischen Gerichtshofes auch für die Schweiz.

Aber jetzt hat sich die Diskussion weiter entwickelt und jetzt haben ganz viele Gruppierungen ein Problem damit. Das wissen Sie auch.

Die Diskussion hat sich weiter entwickelt, aber lediglich die Diskussion in den Medien und nicht die der Institutionen, also des Parlaments und des Bundesrates.

Glauben Sie eigentlich daran, dass das Abkommen ins Ziel gebracht werden kann?

Ich glaube nicht, dass die Europafrage eine Glaubensfrage ist. Ich versuche seit ich im Amt bin, mit diesem Dossier sehr nüchtern umzugehen und es zu de-mystifizieren. Es ist eine Kosten-Nutzen-Analyse. Wir sind freundschaftlich mit unseren Nachbarländern und mit der Europäischen Union verbunden: akademisch, wirtschaftlich, menschenrechtlich und so weiter. Wir haben die gleichen Werte. Das werden wir mit oder ohne Rahmenabkommen weiterhin haben.

Wenn es nicht gelingt, ist die Reise nicht beendet. Dann werden wir weitergehen und schauen, wie wir unsere Beziehungen weiterhin verbessern werden.

Ob es uns jetzt gelingt, dieses Rahmenabkommen zu schliessen, werden wir sehen. Wenn es nicht gelingt, ist die Reise nicht beendet. Dann werden wir weitergehen und schauen, wie wir unsere Beziehungen weiterhin verbessern werden.

Sie haben in einem Interview auch mal gesagt, sie diskutierten mit der EU auch darüber, was bei einem Scheitern passiere.

Ich habe immer gesagt: Verhandeln ohne ein Scheitern in Kauf zu nehmen – dann kann man gerade aufhören zu verhandeln. Weil dann ist man einfach dem Verhandlungspartner überlassen. Wir müssen bei jeder Verhandlung ein Scheitern als möglich erachten und demzufolge heisst es, dass wir auch planen und schauen, was passiert, wenn es scheitert.

Darüber sprechen Sie auch mit der EU?

Nein, sicher nicht. Im Moment ist es nicht der Plan, dass es scheitert. Im Moment ist der Plan, dass es zustande kommt.

Dass es jetzt schnell vorwärtsgehen soll. Das ist auch Ihr Ziel?

Ja, das ist das Ziel von beiden Seiten. Es gibt eine gewisse Müdigkeit. Nicht nur Corona macht uns müde, sondern auch das Rahmenabkommen.

Das Gespräch führte Oliver Washington.

Samstagsrundschau, 19.02.2021, 11.30 Uhr;

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