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Waren die Gründer der Raiffeisen Schweiz judenfeindlich?
Aus Rendez-vous vom 18.04.2024. Bild: Keystone/Gaetan Bally
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ETH-Bericht liegt vor Wie antisemitisch war der Gründer der Raiffeisen-Bewegung?

Antisemitische Vorurteile, aber keine konsistente Ideologie soll der Raiffeisen-Gründer gehabt haben.

Der ETH-Forschungsbericht über die Geschichte des Gründers der Raiffeisenbewegung, Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818 – 1888), und die Firmengeschichte von Raiffeisen Schweiz ist da. Der Bericht wurde von der Raiffeisen selbst in Auftrag gegeben, um die mutmasslich antisemitische Vergangenheit aufzuarbeiten.

Dass der Bericht in Auftrag gegeben wurde, geschah unter anderem darum, weil vor rund einem Jahr ein Komitee rund um den St. Galler Alt-Ständerat Paul Rechsteiner öffentlich für eine Umbenennung des Raiffeisenplatzes warb – wegen des mutmasslich antisemitischen Hintergrunds des Raiffeisengründers.

Gedenktafel Friedrich Wilhelm Raiffeisen
Legende: Ein Denkmal von Friedrich Wilhelm Raiffeisen in Hamm (D). Raiffeisen gründete die Raiffeisenbewegung. 1899 wurde die Schweizer Bank gegründet. imago/biky

Nach diesem Stein des Anstosses präsentierte Raiffeisen Schweiz am Donnerstag zusammen mit dem Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich den Bericht. Dieser bestätigt, dass Friedrich Wilhelm Raiffeisen antisemitische Formulierungen, Stereotype und Ausdrücke verwendete. Er prangerte insbesondere den angeblichen «jüdischen Wucher» an.

Ein Antisemit war, wer sich politisch gegen die Emanzipation der Juden wehrte. Das war Raiffeisen nicht.
Autor: Gregor Spuhler Leiter Archiv für Zeitgeschichte ETH

Doch eine schmale Quellenlage offenbare auch Widersprüche. In einem unveröffentlichten Bericht habe Raiffeisen die Jüdinnen und Juden zwar als potenzielles «Krebsgeschwür» bezeichnet, kurz danach habe er sich aber in einem Grundsatzartikel explizit gegen die politische «Judenhetze» ausgesprochen. ,

Es gebe keine Hinweise darauf, dass Antisemitismus im Bankengeschäft von Raiffeisen eine Rolle gespielt habe. Das Gründungsnarrativ sei losgelöst von der Geschäftstätigkeit, kommt das Historikerteam zum Schluss.

Dünne Quellenlage für Antisemitismus im Bankalltag

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Die Raiffeisenbanken in Deutschland, Österreich und der Schweiz basieren alle auf der Idee des Deutschen Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Gegründet haben sie sich selbständig, die Raiffeisen Schweiz besteht seit 1899, feiert heuer also ihr 125-Jahr-Jubiläum.

Antisemitische Stereotypen von F. W. Raiffeisen wurden auch von den Gründern in der Schweiz übernommen. Leute mit oft katholisch-konservativer Haltung. Die Erzählungng des «jüdischen Wuchers» wurden zum Gründungsnarrativ für die Raiffeisen-Genossenschaften in der Schweiz.

Es gebe allerdings keine Belege dafür, dass Antisemitismus auch im Alltag der Raiffeisenbank in der Schweiz eine Rolle gespielt habe. Historiker Gregor Spuhler: «Wir sehen, dass es keinen Zusammenhang gibt. Die Erzählung, das Gründungsnarrativ, ist gelöst von der Geschäftstätigkeit.»

Es gebe also beispielsweise keine Statuten, die Jüdinnen und Juden ausschliessen würden. Die Forschenden sagten aber auch, die Quellenlage sei hierbei eher dünn. Was mit Kunden verhandelt wurde oder wem ein Kredit aus welchen Gründen verweigert wurde, ist nicht überliefert.

Der Leiter der ETH-Studie, Gregor Spuhler, sagt: «Als Raiffeisen lebte, war ein Antisemit jemand, der sich politisch gegen die Emanzipation der Juden wehrte. Das tat er nicht. Er war kein antisemitischer Ideologe. Die sogenannte Judenfrage war nicht im Zentrum seines Denkens.»

Gegenstand der ETH-Untersuchungen war auch die Rolle von Raiffeisenexponenten zu Zeiten des italienischen Faschismus und des deutschen Nationalsozialismus. Gemäss Forschungsbericht seien die Machtübernahmen in Italien und Deutschland teilweise «verhalten positiv» kommentiert worden. Später seien diese Exponenten aber auf Distanz gegangen, in die Raubwirtschaft der Nazis sei die Raiffeisen nicht involviert gewesen.

Komitee will Platz einer jüdischen Fluchthelferin widmen

Die Bestrebungen des Komitees um Paul Rechsteiner, den Raiffeisenplatz in der Stadt St. Gallen hat zum Ziel, bis Ende 2024 den Platz offiziell in «Recha-Sternbuch»-Platz umzubenennen.

Der Platz, der mit einem charismatischen, von der Künstlerin Pipilotti Rist und weiteren Kunstschaffenden gestalteten, roten Teppich überzogen ist, soll nach der orthodoxen Jüdin Recha Sternbuch (1905 – 1971) benannt werden. Sternbuch lebte in St. Gallen und rettete jüdischen Flüchtenden während des Zweiten Weltkriegs das Leben.

Eigentümerin des roten Platzes ist die Stadt. Der zuständige Stadtrat schreibt auf Anfrage, man wolle erst den Bericht lesen, bevor man sich äussere. Auch das Komitee will den nun vorliegenden Bericht zuerst lesen und dann weiter kommunizieren.

Rendez-vous, 18.4.2024, 12:30 Uhr;

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