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Umstrittene Anwaltshonorare: Abzocke mit Erfolgsbeteiligung
Aus Kassensturz vom 07.11.2017.
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Prämien für Anwälte Umstrittene Anwaltshonorare: Abzocke mit Erfolgsbeteiligung

Rita Nobs ist enttäuscht von ihrem Anwalt. Er habe mit ihr einen unfairen Vertrag ausgehandelt. «Ich habe unterschrieben, weil ich verzweifelt war und keinen Ausweg gesehen habe.»

Nach einem Unfall hat Rita Nobs ihren rechten Arm verloren und stritt mit ihrer Versicherung CSS um eine Summe von 150'000 Franken. Deshalb suchte sie die Hilfe eines Anwalts.

Hohe Erfolgsprämie

«Kassensturz» vom 29.08.2017:

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Mit ihrem Anwalt Christian Lauri hat sie einen Stundenlohn von 125 Franken vereinbart. Dazu sollte sie ihm im Erfolgsfall 15 Prozent des ausbezahlten Betrags abtreten. Bei der Versicherungssumme von 150'000 Franken wäre dies ein Erfolgshonorar von maximal 22'500 Franken. «Ich hätte auch 20 oder 25 Prozent Erfolgsbeteiligung unterschrieben. Ich wollte einfach Hilfe», so Rita Nobs.

Die CSS bezahlte. Wieviel genau, ist geheim. Es wurde Stillschweigen vereinbart. Klar ist: Zur Einigung kam es erst, als sich «Kassensturz» in den Fall eingeschaltet und den Fall öffentlich gemacht hat (siehe Box). Und ebenfalls klar ist: Die Versicherung übernahm auch die Anwaltskosten und bezahlte den Anwalt separat.

Anwalt kassiert doppelt

Das Geld, das an Frau Nobs ging, sei nicht für Anwaltsforderungen gedacht gewesen, sondern für nötige Umbauten in der Wohnung. «Unsere Idee war es, dass das Geld vollumfänglich an Frau Nobs geht. Deshalb haben wir den Anwalt auch separat entschädigt», so die CSS.

Rita Nobs meinte, damit sei die Sache erledigt. Der Anwalt hat der CSS einen viel höheren Stundentarif verrechnet als mit Frau Nobs abgemacht. Doch ihm reicht das Geld der CSS nicht. Er will die volle Erfolgsbeteiligung von Rita Nobs. Mehrere Tausend Franken, die er der CSS nicht in Rechnung stellte.

«Ich brauche dieses Geld»

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Rita Nobs fiel aus allen Wolken: «Die CSS hat ihm bereits einen sehr guten Lohn bezahlt. Und jetzt will er von meinem Anteil, den ich bekommen habe, auch noch. Ich brauche dieses Geld.» Und sie ergänzt: «Ich bin ja nicht durch ihn zu einem Anteil des Geldes der CSS gekommen, sondern durch den «Kassensturz», also durch die Öffentlichkeit. Nicht durch den Rechtsanwalt.»

Peter Kaufmann, der Arbeitgeber von Rechtsanwalt Christian Lauri, verteidigt die Honorarrechnung. Man fordere lediglich das, was vertraglich abgemacht gewesen sei: «Bei der Mandatsübernahme haben wir gewusst, dass Frau Nobs in schwierigen finanziellen Verhältnissen lebt. Wir haben auch gewusst, dass die Ausgangslage schwierig ist. Trotzdem haben wir uns entschieden, ihr zu helfen, weil wir der Meinung sind, dass auch sie einen Anspruch auf einen Fachanwalt hat, der ihre Interessen wahrnehmen kann.»

Prämien sind hoch umstritten

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Drei Experten haben Ihre Fragen zum Thema «Anwaltshonorare» beantwortet. Hier gehts zum Protokoll.

Einen Basislohn plus Erfolgsbeteiligung bei Anwälten: In der Schweiz ist das umstritten. Rechtsanwälte sollen nicht nur Fälle übernehmen, bei denen es um viel Geld und somit um viel Lohn für sie geht. Anders als etwa in den USA ist eine reine Erfolgsbeteiligung gar verboten, sagt René Rall, Generalsekretär des Schweizerischen Anwaltsverbands. «In den USA begründet man das Erfolgshonorar mit dem Zugang zum Recht. Da haben wir hier in der Schweiz nicht die gleiche Ausgangslage. Man hat hier andere Mittel, beispielsweise die unentgeltliche Prozessführung für Leute, die kein Geld haben», so René Rall.

Bundesgericht setzt klare Grenzen

«Kassensturz»-Recherchen zeigen zudem: Rechtsschutzversicherungen übernehmen Erfolgshonorare an Rechtsanwälte nicht. Diese sind in den Versicherungsbedingungen ausgeschlossen.

Das Bundesgericht hat sich kürzlich mit Erfolgsbeteiligungen von Anwälten beschäftigt. In seinem Urteil vom Juni setzen die Richter zwar keine fixe Obergrenze von Erfolgsprämien. Sie halten jedoch erstmals fest: «Klar überschritten ist die Grenze aber jedenfalls, wenn das erfolgsabhängige Honorar höher ist als das erfolgsunabhängige Honorar.»

Dieses Verhalten wirft generell ein schlechtes Licht auf die Anwaltschaft.
Autor: René Rall Schweizerischer Anwaltsverband

In Rita Nobs Fall verlangt der Anwalt 1500 Franken Grundhonorar. Das Erfolgshonorar beläuft sich auf ein Mehrfaches. Nach Bundesgerichtsurteil klar ein Missverhältnis. Zudem hat Rita Nobs den Betrag der Versicherung erst auf öffentlichen Druck hin ausbezahlt bekommen.

René Rall kritisiert den Anwalt scharf: «Sein Verhalten erachten wir von moralischer Seite her gesehen als stossend. Es wirft generell ein schlechtes Licht auf die Anwaltschaft und ihre Tätigkeit.»

Kanzlei verzichtet nun auf Honorar

Sie würden diese Wertung des Anwaltsverbands zur Kenntnis nehmen, sagt Peter Kaufmann. Rechtlich hätten sie korrekt gehandelt. Das Bundesgerichtsurteil hätte im Fall Nobs noch keine Wirkung gehabt, man habe den Vertrag vorher abgeschlossen und die Rechnung vorher erstellt. «Wir konnten damals gar nicht wissen, dass das Bundesgericht neue Leitplanken setzt.»

Dennoch zeichnet sich nun eine Lösung im Fall Nobs ab. Die Kanzlei verzichtet auf ihr Honorar. Sie schlägt vor, dass Rita Nobs stattdessen 1000 Franken an eine gemeinnützige Institution zahlt. Für Rita Nobs ist dies ein gangbarer Weg. Gleichzeitig hofft sie auf eine Zukunft ohne Rechtsstreit.

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