- Jetzt ist es offiziell: Der Schweizer Diplomat Thomas Greminger ist neuer Generalsekretär der OSZE.
- Die 57 Mitgliedstaaten haben die Einsprachefrist gegen den Kandidaten ungenutzt verstreichen lassen.
- Die Ernennung sei Anerkennung und Chance für die Schweizer Aussenpolitik, sagt Christian Nünlist von der ETH.
Für Nünlist ist die OSZE als internationale Organisation wie massgeschneidert für ein aussenpolitisches Engagement der Schweiz.
Der Spezialist für Schweizer Aussen- und Sicherheitspolitik am Zentrum für strategische Studien der ETH, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen Zürich ist überzeugt: «Die OSZE passt perfekt zur Schweizer Mentalität.» Schliesslich gehe es in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa um Kompromisse, Demokratieförderung, Rechtsstaatlichkeit oder Menschenrechtsschutz.
Ein Draht zu Russland
«Die Schweiz hat bewiesen, dass sie eine wichtige Brückenfunktion zwischen Russland und dem Westen hat», konstatiert Nünlist weiter. Tatsächlich setzte Aussenminister Didier Burkhalter 2014 als Präsident der OSZE alle Hebel in Bewegung, um im Ukrainekonflikt zwischen Moskau und Kiew Verhandlungen zu ermöglichen.
Als Schweizer Botschafter bei der OSZE zog damals Thomas Greminger die diplomatischen Fäden. Er und Burkhalter hätten wesentlichen Anteil daran gehabt, dass es der OSZE gelang, eine Waffenruhe auszuhandeln. Deshalb sei die Wahl Gremingers zum OSZE-Generalsekretär «eine Bestätigung und ein Lob» sowohl für den erfolgreich geführten Schweizer OSZE-Vorsitz als auch für Greminger als Person.
Fluch und Segen für die OSZE
Nun müsse Greminger dafür schauen, dass die OSZE die unter dem Schweizer Vorsitz 2014 gewonnene Bedeutung auch behalten könne, so Nünlist. Die wichtigste Herausforderung sei es, Russland und den Westen wieder in einen Dialog zu führen. «Im Idealfall gelingt es, dass man Herausforderungen in Europa wieder gemeinsam angeht, und nicht in Konfrontation.»
Allerdings sei völlig offen, ob das auch gelinge, weil sowohl Chancen als auch Gefahren den Zustand der OSZE prägten. Das zeige sich am Ukrainekonflikt. Dieser sei für die OSZE «Fluch und Segen» zugleich: «Einerseits ist die OSZE aus einer Art Dornröschenschlaf erwacht – sie übernimmt nun wieder nützliche Funktionen.» Gleichzeitig blockiere der neue Ost-West-Graben die Organisation aber bei ihrer täglichen Arbeit.
Thomas Greminger ist fähig, eine Art unabhängiger und neutraler Brückenbauer in der OSZE zu sein.
Nünlist betont zudem, dass die bestimmende Figur im OSZE-Alltag nicht der Generalsekretär, sondern der Aussenminister des jeweiligen Vorsitzlandes sei – derzeit ist das Österreichs Aussenminister Sebastian Kurz. Der Vorsitzende habe politische Gestaltungskraft, während der Generalsekretär – künftig also Thomas Greminger – vor allem im Hintergrund wirke und seinen Chef aktiv unterstütze. Der Generalsekretär sei deshalb eher Sekretär denn General, so Nünlist.
In diesem begrenzten Rahmen sei die enorme Erfahrung Gremingers als Schweizer Diplomat in der OSZE umso wichtiger. Nünlist ist überzeugt, dass das Amt mit Greminger sehr gut besetzt sei. Dieser sei fähig «eine Art unabhängiger und neutraler Brückenbauer in der OSZE zu sein».
Für die Schweiz wichtige Organisation
Davon könne die Schweizer Aussenpolitik profitieren. Weil die Schweiz weder der EU noch der Nato angehört, sei die OSZE für sie neben der UNO die wichtigste internationale Organisation. Ein Schweizer Generalsekretär sei dabei eine Verpflichtung und eine Inspiration, um sich weiter in einem aussenpolitischen Bereich zu engagieren, in dem Schweizer Qualitäten besonders gefragt seien.
OSZE: Organisation mit bescheidenem Budget
Das Budget der OSZE beträgt 140 Millionen Euro pro Jahr. Im Sekretariat der Organisation in Wien arbeiten rund 320 Personen. Es überwacht unter anderem die derzeit 15 laufenden Feldmissionen der OSZE. Nebst der Mission in der Ostukraine operieren weitere OSZE-Vertreter vor allem im Kaukasus und im Balkan. |