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Rechtsfrage: Muss ich die alten Zahnarztrechnungen bezahlen?
Aus Espresso vom 08.10.2015. Bild: Colourbox
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Sonstiges Recht Muss ich die alten Zahnarztrechnungen bezahlen?

Eine Patientin bekommt nach fünf Jahren die Rechnung von ihrem Zahnarzt. Verständlicherweise ist sie sauer. Denn: Sie hat ihn seinerzeit mehrfach angerufen und um die Rechnung gebeten. «Espresso» sagt, wie lange man Arztrechnungen zahlen muss und wie lange man sie der Krankenkasse schicken kann.

Das ist ärgerlich: «Espresso»-Hörerin Tanja De-Marchi hatte nach der Behandlung ihren Zahnarzt mehrfach angerufen und ihn gebeten, seine Rechnungen zu schicken. Das war vor fünf Jahren. Bekommen hat sie nie etwas.

Jetzt erst flattern die Rechnungen über total 3000 Franken ins Haus. Tanja De-Marchi ist genervt. Sie möchte vom Konsumentenmagazin «Espresso» auf SRF 1 wissen: «Muss ich diese Rechnungen nach so langer Zeit überhaupt noch zahlen?»

Wann verjähren Forderungen des Arztes, wann die gegenüber der Krankenkasse?

Forderungen aus ärztlicher Tätigkeit verjähren nach Ablauf von fünf Jahren. So steht es im Gesetz. In der Praxis stellt sich aber häufig die Frage, wann diese Frist zu laufen beginnt. Mit Abschluss der Behandlung? Mit der Rechnungsstellung? Oder wenn die Rechnung zur Zahlung fällig ist?

Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Es kommt nämlich darauf an, wer von wem eine Leistung fordert.

Fall 1: Arzt verlangt sein Honorar vom Patienten

Laut Bundesgericht und juristischer Lehre beginnt die Verjährungsfrist mit Abschluss der Behandlung zu laufen – ausgenommen, Arzt und Patient hätten etwas anderes abgemacht. Im Fall von Tanja de-Marchi kommt es darauf an, ob es sich um verschiedene oder um eine einzige Behandlung handelte.

Handelte es sich um eine einzelne Behandlung, so ist der Honoraranspruch noch nicht verjährt. Handelte es sich dagegen um einzelne Behandlungen, kann der Arzt sein Honorar für diejenigen Behandlungen, die mehr als fünf Jahre zurück liegen, nicht mehr einfordern.

Fall 2: Patient schickt Arztrechnung der Krankenkasse

Bei der obligatorischen Grundversicherung verjähren Ansprüche von Patientinnen und Patienten gegenüber der Krankenkasse ebenfalls nach fünf Jahren, bei der Zusatzversicherung dagegen bereits nach zwei Jahren.

Die Frage ist aber auch hier: Wann beginnen diese Fristen zu laufen?

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Die Rechtsexpertinnen Gabriela Baumgartner und Raphaela Reichlin beantworten jeden Donnerstag im «Espresso» eine Rechtsfrage. Hier geht es zu den bisherigen Antworten.

Falls auch Sie eine Frage haben, schreiben Sie uns.

Im Falle der Grundversicherung hat das Bundesgericht entschieden, dass die Frist zu laufen beginnt, wenn der Patient die Rechnung des Arztes bekommt. Ab diesem Moment hat der Patient theoretisch fünf Jahre Zeit, den Rückforderungsbeleg seiner Krankenkasse zu schicken. Bei der Zusatzversicherung haben Patienten dazu nur zwei Jahre Zeit. Wann dass in diesem Fall die Frist zu laufen beginnt, ist rechtlich nicht klar. Eine Umfrage von «Espresso» bei neun grossen Krankenkassen zeigt: Die Versicherungen regeln diese Frage unterschiedlich. Manche stellen auf den Beginn oder das Ende der Behandlung ab, manche auf das Rechnungsdatum, wieder andere Versicherungen halten sich an den Bundesgerichtsentscheid betreffend der Grundversicherung. Brisant: In den Allgemeinen Versicherungsbestimmungen der von «Espresso» angefragten Gesellschaften ist diese Frage nicht geregelt, die Versicherten wissen also nicht, was gilt.

Schlaumererei gilt nicht!

Diese unterschiedlichen Regelungen könnten zu stossenden Situationen führen: Dazu nämlich, dass – wenn der Arzt die Rechnung zu spät schickt – sie nach Zivilrecht bereits verjährt ist, der Patient aber gegenüber der Krankenkasse noch eine Forderung geltend machen kann. Ein solches Vorgehen wäre natürlich missbräuchlich. Die Kasse würde in diesem Fall die Verjährung selber feststellen und die Rückerstattung verweigern.

Denkbar ist auch der umgekehrte Fall: Laut Versicherungsbestimmungen muss der Patient die Rechnung spätestens zwei Jahre nach dem Abschluss der Behandlung der Kasse einreichen. Lässt sich hier der Arzt mit der Rechnungsstellung zu viel Zeit, geht der Patient leer aus. Weiss aber der Arzt, dass ein Patient zusatzversichert ist und stellt er trotzdem nicht rechtzeitig Rechnung, verletzt er damit seine ärztlichen Pflichten und wird seinem Patienten gegenüber schadenersatzpflichtig.

Für Patienten sind solche juristischen Diskussionen mühsam und verwirrend. Stellt ein Arzt wie im Fall von Tanja De-Marchi trotz Aufforderung keine Rechnung, können sich Versicherte an ihre Krankenkasse wenden und verlangen, dass diese beim Arzt interveniert.

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