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Spitalinfektionen: Betroffene auch finanziell im Nachteil
Aus Espresso vom 14.05.2014. Bild: Colourbox
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Gesundheit Spitalinfektionen: Betroffene auch finanziell im Nachteil

In der Schweiz kommt es jährlich zu 70‘000 Spitalinfektionen. 2000 Menschen sterben an den Folgen. Patienten werden durch die Infekte auch finanziell belastet. Wollen Betroffene Schadenersatz geltend machen, müssen sie den Ärzten ein Versäumnis nachweisen. Das ist fast nicht möglich.

Beat Hanselmann hat Geldsorgen. Ihm fehlen rund 30‘000 Franken an Einkommen. Eine grosse finanzielle Belastung für den selbstständigen Schreiner: «Ich muss jetzt schauen, ob und wie viel davon ich bis Ende Jahr wieder reinholen kann.» Hanselmann war die letzten drei Monate zu 100 Prozent krankgeschrieben. Seine Taggeld-Versicherung zahlt in den ersten Monaten aber keinen Lohnausfall.

Kortison-Spritze direkt ins Schultergelenk

Angefangen hatte alles mit Schmerzen. Seine Hausärztin diagnostiziert eine Entzündung im Schultergelenk. Als Schmerzmittel und Medikamente nichts ändern, verabreicht sie ihm eine Kortison-Spritze direkt ins Gelenk. «Am nächsten Morgen hatte ich unglaublich starke Schmerzen in der Schulter und konnte auch nicht mehr laufen», erzählt Hanselmann gegenüber «Espresso». Er muss ins Spital.

Desinfektion der Schulter vernachlässigt?

Die Spital-Ärzte diagnostizieren eine schwere Blutvergiftung. Ein Hautbakterium war in die Schulter gelangt und hatte eine schwere Infektion ausgelöst. Beat Hanselmann muss dreieinhalb Wochen im Spital bleiben. «Die Schulter wurde mir in der Zeit sieben Mal operiert, jedes Mal unter Vollnarkose.» Wie das Bakterium in die Schulter kam, ist unklar. Möglicherweis hat die Ärztin zu wenig sauber gearbeitet. «Da habe ich schon schwere Zweifel. Ich kann mich auf jeden Fall nicht daran erinnern, dass sie mir die Einstichstelle desinfiziert hätte».

Schadenersatzforderungen kaum durchsetzbar

Der Schreiner will nun versuchen, Schadenersatz geltend zu machen. Dies sei aber nicht einfach, sagt Erika Ziltener, Präsidentin der Schweizerischen Patientenstellen. «Bei einer Spitalinfektion zu beweisen, dass die Ärzte hygienisch unsauber gearbeitet haben, ist sehr, sehr schwer wenn nicht unmöglich», sagt Ziltener gegenüber «Espresso». Ausserdem würde das Infektionsrisiko generell auch in den Operationsprotokollen aufgeführt. «Damit sind Spitäler oder die Ärzte schon weitgehend aus dem Schneider.»

Spitalinfektionen als Unfall behandeln

Um die Situation der Betroffenen zu verbessern, schlägt die Patientenstelle eine Änderung im Gesetz vor: Spitalinfektionen sollen generell als Unfall und nicht wie heute als Krankheit taxiert werden. «Wenn solche Infektionen über die Unfallversicherung laufen würden, hätte das verschiedene finanzielle Vorteile für die Betroffenen», sagt SP-Nationalrat Thomas Hardegger. Er hat vor einer Woche einen entsprechenden Vorstoss im Nationalrat eingereicht. «Der Selbstbehalt der Folge-Behandlungen fiele weg und die Franchise würde nicht belastet.» Bei bleibenden Schäden gäbe es auch eine sogenannte Integritätsentschädigung. Die gibt es bei Schäden aufgrund Krankheit nicht.

Beat Hanselmann macht sich keine allzu grossen Hoffnungen auf Schadenersatz, will es aber trotzdem versuchen. Grundsätzlich findet er es nicht richtig, dass Ärzte für tatsächliche Fehler nicht gerade stehen müssen. «Wenn ich als Handwerker einen Fehler mache, zahlt meine Versicherung. Das müsste bei Ärzten auch so sein, die sind ja auch eine Art Handwerker.»

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