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Duftnote: Manipulierte Kunden im Warenhaus
Aus Kassensturz vom 09.10.2007.
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Konsum Duftnote: Manipulierte Kunden im Warenhaus

Diskret platzierte Geräte in Läden verströmen heimlich Duftstoffe. Ziel: Kunden sollen sich besser fühlen, länger im Geschäft verweilen und mehr kaufen. Kassensturz nennt Läden, die ihre Kunden an der Nase herumführen.

Duftnote: Manipulierte Kunden im Warenhaus

Düfte haben eine starke Wirkung und verführen: Riecht es bei den Hygieneartikeln sauber, sind die Produkte attraktiv, eine erotische Duftnote in der Kleiderabteilung und wir haben Lust, uns neu einzukleiden. Oder ein raffiniert komponierter Geruch bei der Elektronik lässt Technik weniger kalt erscheinen. Zahlreiche Firmen bieten in der Schweiz Duftmarketing an; das ist der gezielte Einsatz von Gerüchen mit Verduftungsgeräten.

Cananga vermittelt Geborgenheit

Der grösste Schweizer Duftmarketing-Anbieter, Beat Grossenbacher, mischt seine Düfte selber. Seine These: Was er herstellt, löst später im Laden eine gute Stimmung aus. Kunden bleiben länger und geben bereitwillig Geld aus. Mit der Farbtabelle aus der Aromatherapie bestimmt Grossenbacher zur gesuchten Eigenschaft den richtigen Duft. Cananga beispielsweise wirkt erotisierend und vermittelt Geborgenheit – eine gezielte Manipulation. «Ich denke, alles ist Manipulation: Licht, Musik, etc.», sagt Grossenbacher.

Er ist stolz auf seine fast zwei Millionen Franken Umsatz, die er pro Jahr mit Duftmarketing erzielt. Und so funktioniert eine Duftsäule: Die Raumluft wird unten angesaugt und durchströmt einen Schwamm. Im Schwamm neutralisiert eine Flüssigkeit unangenehme Gerüche. Dann nimmt die Luft den gewünschten Duft aus Patronen an und ein Ventilator verteilt sie wieder im Raum – heimlich, im Laden sind die Säulen diskret platziert. Kaum zu erkennen sind die eingebauten Geräte, sie verschwinden in der Decke.

Zur Neutralisierung von Muffigkeit

Duftmarketing hat zum Ziel, dass die Konsumentin und der Konsument mehr Geld ausgeben. Wer setzt es ein? Kassensturz befragt grosse Verkaufsgeschäfte, zum Beispiel «Pasito» in Luzern. Aus einer Duftsäule im Hintergrund strömt ein sanfter Blumenduft. Das Ambiente soll Lust auf neue Schuhe machen. Filialleiterin Lucia Birrer: «Der Duft schafft ein sehr angenehmes Klima. Es gibt Kunden, die wollen Duft und Säule sogar kaufen.»

Auch Mediamarkt bestätigt den Einsatz von Duftmarketing, lässt aber Kassensturz die Duftgeräte nicht filmen. Die hängenden Raumbedufter und die stehenden Säulen im Manor Luzern darf Kassensturz hingegen zeigen. Bei der jungen Mode sollen sie die Muffigkeit des alten Gebäudes neutralisieren. Filialleiter Philippe Goël betont aber, dass dieser punktuelle Einsatz von Duftmarketing bei Manor eine Ausnahme sei.

Versuch kurzfristig abgebrochen

Auf natürliche Düfte, die vom Produkt kommen, setzt die Migros. Denn Versuche mit künstlich zugeführtem Duft zeigten nicht den gewünschten Erfolg. In einer Langenthaler Filiale wurde ein Test vor fünf bis sechs Jahren kurzfristig abgebrochen. «Die Kunden haben nicht darauf reagiert», so Migros-Verkaufsleiter Markus Schilliger. Interdiscount bestätigt, Duftmarketing einst getestet, aber nicht weitergeführt zu haben. Die Kleiderkette Tally Weijl testet es im Moment. Kassensturz weiss, dass zur Zeit mindestens einige Hundert Verkaufsläden mit Duftmarketing arbeiten.

Keine Deklarationspflicht

Die Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Antje Welge Lüssen am Universitätsspital Basel beschäftigt sich seit zehn Jahren wissenschaftlich mit dem Riechen. Das Geruchsvermögen lässt sich eindeutig objektiv messen, die Wirkung von Duftmarketing bis heute noch nicht. Wie gross das Manipulationspotential ist, bleibt daher umstritten.

Für die Expertin ist klar: «Das Potential besteht, ich halte es dennoch im Moment für relativ gering.» Fairerweise sollte der Kunde auf den Einsatz von Duftstoffen hingewiesen werden, ergänzt die Ärztin. Doch das wird er nicht, eine Deklarationspflicht fehlt. Nur mit feiner Nase und wachen Augen kommen Kunden der Duft-Manipulation auf die Spur.

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