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Zalando: «Kassensturz» checkt den Senkrechtstarter
Aus Kassensturz vom 02.04.2013.
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Konsum Zalando: «Kassensturz» checkt den Senkrechtstarter

«Kassensturz» unterzieht den Online-Shop Zalando einem Check aus Sicht der Konsumenten. Bei den Preisen fällt Zalando durch. Denn Kunden müssen in der Schweiz durchschnittlich 15 Prozent mehr bezahlen als in Deutschland. Dies, obwohl die Kleider aus dem gleichen Lager stammen.

Erst seit zweieinhalb Jahren ist der deutsche Kleider-Händler Zalando auf dem Schweizer Markt und hat umsatzmässig im Internet dennoch schon die Konkurrenz überflügelt. Die Mehrheit der Zalando-Kunden ist weiblich und unter 34 Jahre alt. «Das Einkaufserlebnis ist vergleichbar mit dem Shopping-Bummel durch die Bahnhofstrasse», sagt Trendforscherin Karin Frick vom Gottlieb-Duttweiler-Institut im «Kassensturz». Das breite Angebot inspiriere Kunden.

Weiterer Pluspunkt: Zalando verschickt Pakete ohne Versandkosten. Wer ein Kleidungsstück erhalten hat, das ihm nicht gefällt oder nicht passt, der kann es zudem kostenlos retournieren. Wie reibungslos funktioniert dieser Service? Der «Kassensturz»-Check soll es zeigen. Die Retouren sind einer von drei Punkten auf dem Prüfstand: Ebenfalls im Check: Welche Arbeitsbedingungen bietet der Online-Händler seinen Mitarbeitern? Und wie attraktiv sind die Preise für Schweizer Kunden?

Erster Check: Die Retouren

Die Umtauschquote ist hoch. Jedes zweite bestellte Stück senden die Zalando-Kunden wieder zurück. Im Fall von Andrea Leu ging dies gründlich schief. Die Kundin retournierte zwei Artikel. Doch Zalando verbuchte die falschen Kleidungsstücke und forderte im Anschluss Geld von Andrea Leu für Kleider, die sie schon längst zurückgeschickt hatte.

«Das wirkte sehr unprofessionell», sagt Andrea Leu rückblickend. Als sie sich wehrte forderte Zalando sie auch noch auf, Beweisfotos einzuschicken. Erst nach mehreren Wochen klärte sich das Durcheinander. Zalando-Sprecher Boris Radke sagt, Zalando habe sich bei der Kundin für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und die interne Kommunikation verbessert. Der Grossteil der Rücksendungen werde reibungslos verarbeitet.

In der Schweiz geschieht dies unter anderem bei der Logistikfirma Fiege in Bülach. Die Post liefert täglich Tausende Zalando-Pakete an – Retouren von Kunden. Die Mitarbeiter von Fiege öffnen jedes Paket und prüfen den Inhalt. Das Personal vergleicht die Retouren mit Bildern auf dem Computer. Fehlerhafte Stücke sortieren sie aus. Der grosse Rest wird gefaltet, eingepackt und kommt wieder in den Verkauf. Als Neuware. Mit einer Sammelfahrt werden die Waren in ein Zalando-Logistikzenter nach Deutschland zurückgefahren.

Die Retouren im «Kassensturz»-Check: Bestanden. Trotz enorm vielen Rücksendungen scheint der Grossteil davon reibungslos abzulaufen.

Zweiter Check: Die Preise

Hinweis auf Zalando-Webseite
Legende: Schweizer Kunden werden auf zalando.de abgewiesen. SRF

Zalando teilt seine Kundschaft strikt auf. Schweizer Kunden, die direkt bei der deutschen Internetseite zalando.de zu Europreisen bestellen wollen, laufen auf. Sie müssen bei zalando.ch einkaufen. Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz SKS sagt in der Konsumentensendung «Espresso» von Radio SRF1: «Dies ist eine Marktabschottung und für uns inakzeptabel.» Schweizer Kunden könnten so nicht von tiefen Euro-Preisen profitieren, kritisiert sie.

Tatsächlich: Schweizer Kunden zahlen drauf. Wie gross die Preisunterschiede sind, zeigt eine umfangreiche Stichprobe von «Kassensturz». Die Redaktion hat die Preise von rund 60 Kleidungsstücken verglichen. Im Schnitt sind die Preise auf der Schweizer Internetseite 15 Prozent höher als auf der deutschen Seite. Wohlgemerkt: Die Lieferungen für die Schweiz kommen aus dem gleichen Lager.

In einzelnen Fällen zahlen Schweizer aber noch viel mehr drauf: Das Miss-Sixty-Sommerkleid Tickling kostet auf zalando.ch 190 Franken. Das gleiche Kleid gibt es auf zalando.de für umgerechnet 149 Franken. Noch nicht berücksichtigt: In Deutschland beträgt die Mehrwertsteuer 19 Prozent, in der Schweiz nur 8 Prozent. Ohne Mehrwertsteuer beträgt der Preisunterschied über 41 Prozent. Sogar 42 Prozent mehr kosten die Nike-Free-Turnschuhe in lila. Herren-Jeans von Pepe sind in einem Fall ganze 50 Prozent teurer. Fast alle Artikel im Preisvergleich sind in der Schweiz teurer.

Weitere Preisvergleiche Zalando Schweiz und Deutschland:

Damit konfrontiert hält Boris Radke von Zalando daran fest, dass man in der Schweiz attraktive Preise biete. Der Sprecher räumt aber auch ein: «Es passiert sicherlich, dass wir uns in Einzelfällen dem jeweiligen Preisniveau von Produkten anpassen und dementsprechend kann es auch passieren, dass Produkte teurer sind in der Schweiz als in Deutschland.» Es gebe bei gewissen Artikeln einen Zuschlag Schweiz. Bei der Mehrheit der Artikel werde der Verkaufspreis aber einfach von Euro in Franken umgerechnet

Die Preise im «Kassensturz-Check»: Nicht bestanden, der umfangreiche Preisvergleich zeigt: Es gibt viel Luft für tiefere Preise in der Schweiz.

Dritter Check: Die Arbeitsbedingungen

Zalando-Lagerarbeiter stapelt Pakete
Legende: Die Kleider werden aus einem zentralen Zalando-Lager verschickt. SRF

Arbeitsbedingungen zum Schreien! Letzten Sommer berichtete das ZDF über sehr tiefe Löhne und miserable Zustände in einem Werk, in dem Mitarbeiter im Auftrag von Zalando schuften. Gemäss dem Bericht mussten die Angestellten pro Schicht siebeneinhalb Stunden stehen, mit einer kurzen Pause. Die Zustände in der Garderobe und im WC: katastrophal.

Die Bilder rüttelten auf und verunsicherten auch Schweizer Konsumenten. In der Schweiz hätten nie solche Zustände geherrscht, betont Zalando: «In den beiden etablierten Schweizer Logistikzentren werden faire Löhne bezahlt, die Arbeitsbedingungen sind gut», sagt Boris Radke dazu. In Deutschland habe Zalando auf die Missstände reagiert. «Wir haben das Lohnniveau erhöht. Wir haben die Sozialräume vergrössert und die sanitären Anlagen verbessert», so Boris Radke.

Die Arbeitsbedingungen im «Kassensturz»-Check: bestanden mit Vorbehalt. Zalando ist eine junge Firma und extrem schnell gewachsen. In Deutschland führte dies zu teilweise unhaltbaren Zuständen für Mitarbeiter. Zalando sagt, man habe sich gebessert. Bei der grossen Anzahl Retouren von um die 50 Prozent geht die Firma gemäss Experten aber auch künftig ein hohes wirtschaftliches Risiko ein und muss knapp kalkulieren. Dafür dürfen aber nicht die Mitarbeiter die Zeche bezahlen.

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