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Was bringen Patientenverfügungen überhaupt?
Aus Puls vom 27.11.2017.
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Patientenverfügung: Ein Formular allein reicht nicht

Patientenverfügungen spielen laut einer neuen Studie bei medizinischen Entscheidungen am Lebensende praktisch keine Rolle. Oft sind sie unklar oder zu allgemein formuliert. Sie können aber ein wichtiger Anstoss sein, mit Angehörigen und Ärzten die Wünsche fürs Lebensende zu klären.

Es ist ein Ergebnis das überrascht und nicht wenige schockieren dürfte: Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 67 ist ein Forschungsprojekt zu dem Schluss gekommen, dass Patientenverfügungen bei medizinischen Entscheidungen am Lebensende praktisch keine Rolle spielen. Projektverantwortliche und Rechtsprofessorin an der Universität Luzern Regina Aebi-Müller nennt verschiedene Gründe für dieses Ergebnis. Einerseits sind Patientenverfügungen noch immer nicht weit verbreitet und im entscheidenden Moment oft nicht auffindbar. Aber selbst wenn Patientenverfügungen vorliegen, stellen sie Ärzte und Angehörige oft vor grosse Herausforderungen.

Zu unklar, zu allgemein

Oft sei den behandelnden Ärzten zum Beispiel nicht klar, ob der Patient wirklich verstanden habe, welche Behandlung in einer Situation geboten ist und welche Folgen ihr Ausschluss hat. Patientenverfügungen seien nicht selten sehr kurz, so Aebi-Müller. «Dann weiss man nicht, was für Gedanken sich der Patient gemacht hat. Hat er sich dabei etwas überlegt? Hat er einfach mehr zufällig ein Kreuzchen gemacht?» Wenn die Patientenverfügungen zu allgemein seien, sei es ausserdem fast unmöglich zu entscheiden, ob eine bestimmte Behandlung in einer bestimmten Situation gemeint ist oder nicht.

Dass Patientenverfügungen in der Praxis keine Rolle spielten, liege nicht daran, dass sich Ärzte bewusst über den Willen ihrer Patienten hinwegsetzen, so Aebi-Müller. «Vielmehr besteht einfach sehr viel Unsicherheit darüber, was der Patient in einer konkreten Situation gewollt hat. Dann versucht man das herauszufinden und das läuft vielleicht auch darauf hinaus, dass man die Patientenverfügung am Schluss für den Entscheid nicht braucht.»

Wenn eine Patientenverfügung vorliegt, muss sie interpretiert werden. Kein einfacher Prozess, wie Aebi-Müller einräumt. «In den meisten Fällen ist es so, dass der Arzt, wenn er Zeit hat, zusammen mit den Angehörigen darum ringt: Was ist gemeint? Ist das zuverlässig? Und ist das genau die Situation? Oft arbeiten Patientenverfügungen mit «höchstwahrscheinlich» – ja, was ist damit gemeint?»

Patientenverfügung Teil Kommunikationsprozesses

Regina Aebi-Müller rät deshalb dazu, eine Patientenverfügung nicht allein und ohne Rücksprache auszufüllen. Werde sie gemeinsam mit Angehörigen und einem Arzt ausgefüllt, könne eine Patientenverfügung zu einem Gespräch darüber anregen, was eigentlich wichtig ist beim Leben und beim Sterben.

Grundsätzlich warnt sie davor, eine Patientenverfügung als Garantie zu verstehen. «Ich glaube, es ist eine Illusion zu glauben, dass jetzt alles so kommt, wie es in der Verfügung steht. Dessen muss man sich bewusst sein: Es lässt sich nicht alles planen, vor allem nicht im medizinischen Bereich.»

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