Ruht der Ball, wird es gefährlich. Das galt noch nie so wie an dieser WM: 67 der bisher 158 Tore fielen nach Standards – also 42 Prozent. Das ist der mit Abstand höchste Wert in der Geschichte des Turniers.
Und die Könige dieser Disziplin sind die Engländer. Ausgerechnet. Sie überwanden im Achtelfinal gegen Kolumbien nicht nur ihr Penalty-Trauma. Auch sonst sind sie in Russland überragend nach ruhenden Bällen. 8 von 11 Toren erzielte das Team nach Standards
Die englische Eisenbahn
Besonders bei Cornern sind die Engländer unberechenbar – dies, nachdem sie zuvor an den drei grossen Turnieren seit 2010 bei 72 Eckbällen nie getroffen hatten. Das Konzept in Russland ist immer das gleiche: Die turmhohen Innenverteidiger Harry Maguire und John Stones sowie Harry Kane und Jordan Henderson reihen sich wie ein Zug auf. Fliegt dann der Ball aus der Ecke, schwärmen sie aus.
Vier Tore entstanden so schon per Kopf, zweimal wusste sich der Gegner nur noch mit einem Foul zu helfen. Kane verwandelte die folgerichtigen Elfmeter.
Laufwege intensiv trainiert
Die neue Stärke kommt nicht von ungefähr. Trainer Gareth Southgate liess solche Situationen intensiv trainieren. So erklärt Mittelfeldspieler Ruben Loftus-Cheek: «Wir haben viel Zeit in die Standards investiert. In jedes Detail, alle Laufwege und Blocks. Dass es nun im Spiel so herauskommt, ist grossartig.»
Wichtige Figur ist Angriffstaktiker Allan Russell. Ein 37-jähriger Schotte, der auch schon in den USA tätig war. Dort hat er beobachtet, wie etwa im Football oder Basketball bei ruhenden Bällen Spielzüge minutiös einstudiert werden.
Stippvisite in der NFL
Gemeinsam mit Southgate besuchte er in den letzten Monaten den Super Bowl, sprach mit NFL-Analysten und NBA-Trainern, wie sich Spieler am besten Räume verschaffen. Entweder dank Timing oder dem gezielten Wegblocken von Gegenspielern.
«Allan rundet mit uns jeweils das Training ab, erzählt von den gegnerischen Verteidigern und Goalies, und wie wir ihre Schwächen aufdecken können», sagt Torjäger Kane. «Es sind nur Kleinigkeiten, die uns aber einen Vorsprung bringen können.»
Als Nächstes dürften im Halbfinal die Kroaten Müsterchen der englischen Qualitäten bekommen. Ein Tor nach Standard wäre ... Standard.
WM-Tore nach Standards
2018 | 42 % |
2014 | 27 % |
2010 | 24 % |
2006 | 34 % |
2002 | 29 % |
1998 | 36 % |
1994 | 33 % |
Sendebezug: Laufende WM-Berichterstattung auf SRF zwei