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Neue populistische Regierung in Italien: Was ist zu erwarten?
Aus Kontext vom 05.06.2018. Bild: Imago / Dirk Sattler
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Italiens neue Regierung «Niemand weiss, was aus Rom auf Europa zukommt»

Mit der euroskeptischen Regierung in Italien sind Reformen der Eurozone noch dringlicher geworden, meint EU-Korrespondent Oliver Washington.

Der Schock sass tief in Brüssel. Vergangene Woche stiegen die Renditen auf italienische Staatsanleihen. Das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des Landes ging mit den Unruhen um die italienische Regierungsbildung schlagartig verloren.

Die Märkte spielten verrückt, der Euro tauchte. «Da wurde allen in Brüssel klar, wie schnell die Krise zurückkommen konnte, wie instabil dieses europäische Haus immer noch steht», sagt SRF-Korrespondent Oliver Washington.

Oliver Washington

Oliver Washington

Bundeshausredaktor

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Oliver Washington ist seit 2003 bei SRF. Ab 2007 war er Mitglied der Inland-Redaktion, von 2014 bis 2019 berichtete er als EU-Korrespondent aus Brüssel. Nun ist er in der Bundeshausredaktion von SRF tätig. Washington hat Soziologie, Geografie und Wirtschaftsgeschichte studiert.

Angriff auf italienische Verfassung

Die Italiener entschieden gegen die etablierten Parteien. Jetzt kommen aus Rom populistische Töne. Nachdem Staatspräsident Sergio Mattarella bei der ersten Regierungsbildung den eurokritischen Paolo Savona als Finanzminister verhindert hatte, polterte Lega-Chef Matteo Salvini «Hochverrat», als ob noch Wahlkampf wäre.

Die Unverfrorenheit, mit welcher der italienische Staatspräsident attackiert wurde, hat Brüssel irritiert.
Autor: Oliver Washington

Auch das hat in Brüssel zu denken gegeben. Folgt nach Ungarn und Polen nun eine westeuropäische Regierung, die verfassungsmässige Korrektive frontal angreift?

«Die Unverfrorenheit, mit welcher im Namen des Volkes eine solch sakrosankte Institution wie der italienische Staatspräsident attackiert wurde, hat Brüssel irritiert», sagt Oliver Washington.

Niemand weiss, was auf Europa zukommt

Das war letzte Woche. «Der Gemütszustand hat sich seither verändert», erklärt der EU-Kenner. Die Kommission zeigte sich zuletzt zuversichtlich, dass sie auch mit dieser Regierung konstruktiv zusammenarbeiten kann.

Das europäische Haus steht noch immer instabil.
Autor: Oliver Washington

«Aber eigentlich weiss natürlich niemand so recht, was aus Rom demnächst auf Europa zukommen wird.» Brüssel wartet gemäss Washington derzeit also ab. Die Märkte haben sich vorübergehend beruhigt.

«Das Risiko in Südeuropa ist latent»

Die Währungsunion indes bleibt instabil. «Das Risiko in Südeuropa ist latent», warnt Washington in Anbetracht der hohen Staatsschulden Griechenlands, Portugals und Italiens. Für Griechenland geht das EU-Rettungsprogramm zu Ende, das Land muss im August zurück an den Kapitalmarkt.

«Im Falle Italiens beunruhigen die Anleger das schwache Wachstum, die hohen Schulden und möglicherweise unvernünftige Politiker, die mit dem Austritt aus dem Euro liebäugeln könnten.»

Oliver Washington gibt zu bedenken, dass viele europäische Banken italienische Schuldpapiere halten. «Ufern die Staatsausgaben in Rom aus, könnte das die EU nicht akzeptieren. Verlieren die italienischen Staatsanleihen an Wert, würde dies zum Problem für verschiedene auch ausländische Banken.»

Instabile Finanzwirtschaft

Für Austeritätspolitik wurden die Lega und Cinque Stelle aber nicht gewählt. Die neue Regierung will den Sozialstaat ausbauen und Steuern senken.

Ich wünsche mir mehr Mut von den anderen Staaten, die eigenen Positionen in Brüssel einzubringen – gerade auch von Deutschland.
Autor: Oliver Washington

Als sich diese Koalition aus Rechtskonservativen und der Protestbewegung am Horizont abzeichnete, vernahm man in Brüssel erste nervöse Stimmen, erinnert sich Washington. «In den Turbulenzen der letzten Tage dann häuften sich die Aussagen, dass die europäische Finanzwirtschaft noch immer zu schwach geschützt ist», sagt er.

«Ich wünsche mir mehr Mut»

Reformen der Eurozone scheinen durch Italiens neue Regierung dringlicher geworden. Emmanuel Macron forderte in seiner Grundsatzrede im Herbst einen europäischen Haushalt oder eine Bankenunion mit europäischem Einlagenschutz.

«Macron will vorwärts machen. Mehr Mut und Drang, die eigenen Positionen in Brüssel einzubringen, wünschte ich mir auch von den anderen Staaten – gerade auch von Deutschland», meint Brüssel-Korrespondent Oliver Washington. Ende Juni findet der nächste EU-Gipfel statt.

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