Es geht im wahrsten Sinne des Wortes um die Wurst – die Bratwurst, nicht aber um den Cervelat. Bisher gilt: Bratwürste, weil sie gebraten werden müssen, dürfen in Tankstellen-Shops zwischen 1 und 5 Uhr nachts nicht verkauft werden. Cervelats hingegen schon – sie kann man auch roh geniessen. Mit der Änderung des neuen Arbeitsgesetzes sollen, gemäss Wortlaut der Befürworter, die «Bratwürste legalisiert» werden. Die Gegner sehen in der Lockerung einen Weg in Richtung 24-Stunden-Arbeitstag.
Was will das Schweizer Volk? Eineinhalb Wochen vor der Abstimmung ist nur eines klar: Der Ausgang ist völlig offen. Gemäss der zweiten Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG sind derzeit 48 Prozent der Stimmenden für die Revision – zum Zeitpunkt der ersten Umfrage Anfang August waren es 46 Prozent. Dagegen sprechen sich jetzt 45 Prozent aus, 2 Prozentpunkte weniger als noch vor fünf Wochen.
Die Abstimmung im National- und Ständerat im Dezember letzten Jahres zeigte noch ein anderes, klareres Bild: Beide Kammern sagten Ja zur Änderung des Arbeitsgesetzes. Im Nationalrat waren es 128 zu 59 Stimmen, im Ständerat lag das Verhältnis bei 29 zu 11.
Je ein Argument mehrheitsfähig
Als Grund für die Gespaltenheit nannte Politikwissenschaftler Claude Longchamp vom gfs.bern bereits im August die guten Argumente beider Lager. Je eines sei mehrheitsfähig. Auf der Pro-Seite erachten es gemäss Umfrage 66 Prozent der Teilnehmer als «unsinnig, dass Tankstellen-Shops in der Nacht nicht das ganze Sortiment anbieten können». Im August waren es noch 58 Prozent.
Interessant ist: Das Pro-Argument, dass sich für die Angestellten die Arbeitsbedingungen nicht ändern würden, zieht bei den Wählern nicht. Im Gegenteil: «Je mehr die Ja-Seite davon spricht, umso eher hilft sie den Opponenten. Diese hat mit der Kritik am 24-Stunden-Arbeitstag einen zentralen Punkt für die Ablehnung aufgeworfen», heisst es laut gfs.bern. Mit 73 Prozent ist es denn auch weiterhin das beste Argument der Gegner (gegenüber 70 Prozent im August).
FDP-Lager konnte zulegen
Ein Blick auf die Parteizugehörigkeit zeigt ein ähnliches Bild wie noch in der ersten Trendumfrage. Grösste Zustimmung erhält die Änderung des Arbeitsgesetzes vom FDP-Lager: 67 Prozent wollen am 22. September ein Ja in die Urne legen. Die Freisinnigen konnten in den vergangenen fünf Wochen 3 Prozentpunkte hinzugewinnen. Ein knappes Ja gibt es bei den SVP-Anhängern mit 49 gegen 47 Prozent.
Mehrheitlich abgelehnt wird die Vorlage bei der SP – wie schon im August sind 57 Prozent für ein Nein. 56 Prozent sind es bei den Wählern der Grünen.
Röstigraben weniger deutlich
Nach wie vor ist ein Land-Stadt-Gefälle auszumachen – allerdings weniger deutlich als noch in der ersten Umfrage: In den grossen Agglomerationen ist die Mehrheit mit 51 Prozent dafür (-3 Prozentpunkte), 43 Prozent sind dagegen (+2 Prozentpunkte). In den ländlichen Regionen konnten die Befürworter 7 Prozentpunkte auf 44 Prozent zulegen. Die Gegner verloren an Boden: neu 46 Prozent gegenüber 54 Prozent im August.
Zu diesem Graben hinzu kommt ein – wenn auch weniger stark ausgeprägter – Röstigraben. In der Deutschschweiz sind 52 für die nächtliche Sortimentserweiterung von Tankstellen-Shops – plus 2 Prozentpunkte. In der Westschweiz stieg die Zustimmung um 5 Prozentpunkte auf 38 Prozent, die Ablehnung hingegen sank von 58 auf 52 Prozent.
Die Situation im Tessin: Während im August das Bild noch ausgeglichen mit 45 zu 44 Prozent war, sind jetzt deutlich mehr für das neue Gesetz. Die Befürworter stehen mit 55 Prozent den Gegnern mit 37 Prozent gegenüber.
Das Forschungsinstitut fasst zusammen, dass sich zwar die Ja-Seite leicht verbessern konnte. «Die Veränderungen sind aber im Stichprobenfehler und sollten nicht überbewertet werden.» Der Ausgang am Abstimmungssonntag ist offen.
SRF 4 News, 17 Uhr