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Schweiz Bundesgericht: Nicht jeder Raser handelt vorsätzlich

Das Bundesgericht ändert seine Rechtsprechung bei der «Via Sicura». Um als Raser bestraft zu werden, müssen Autofahrer künftig zwingend vorsätzlich zu schnell gefahren sein.

Bei der Beurteilung von Raser-Delikten erhalten Richter neu etwas Ermessensspielraum. Bei Autofahrern, die die Tempolimite weit überschreiten, muss laut Bundesgericht nicht mehr zwingend von Rasern ausgegangen werden.

In einem früheren Urteil von 2014 fand das Bundesgericht noch, dass ein Autofahrer in einem solchen Fall zwingend vorsätzlich handelt.

Mit 100 durch die Fünfzigerzone

Ein Lenker aus Genf argumentierte vor Bundesgericht, nicht vorsätzlich zu schnell gefahren zu sein. Er war mit über 100 Stundenkilometern durch eine Fünfzigerzone gefahren. Dafür wurde er mit einem Jahr bedingt bestraft.

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Nicht mehr jeder Raser ist automatisch ein Verbrecher
aus Rendez-vous vom 22.06.2016. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 52 Sekunden.

Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Autofahrers zwar abgewiesen, ändert nun aber seine Rechtsprechung. Auch künftig sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Raser vorsätzlich handle, so das Gericht.

Man könne aber nicht ausschliessen, dass es Fälle gebe, in denen der Autofahrer nicht vorsätzlich handle und deshalb kein Raser-Delikt vorliege. Das Bundesgericht hält damit fest, dass in aussergewöhnlichen Fällen auf eine harte Bestrafung verzichtet werden kann.

Raser-Artikel verstösst gegen Bundesverfassung

Die Frage, wie ein solcher Ausnahmefall konkret aussehen könnte, beantwortet der Strassenrechts-Experte Professor Hans Giger. Er verweist auf den Fall eines Autofahrers, der in der Nacht aus einem ihm unbekannten Dorf hinausfährt, in dem ein 30er-Limit gegolten hat.

Portrait von Professor Hans Giger. Strassenrechts-Experte.
Legende: Strassenrechts-Experte Prof. Dr. iur. Hans Giger begrüsst das bundesrichterliche Urteil. giger.ch

«Die Aufhebungstafeln sind oft erst weit nach dem Dorf angebracht und die Strasse gerade», erläutert Giger die Umstände. Wenn der Automobilist nach dem letzten Haus auf 80 beschleunigt, gilt er als Raser und könnte von jedem Richter für 4 Jahre hinter Gitter geschickt werden.

Der Absatz 4 des Artikels 90 sei insofern eine «verunglückte Bestimmung», sagt Giger.

Denn sowohl in der Verfassung, als auch im Strafgesetz sei festgelegt, dass für eine Verurteilung zwingend ein Verschulden nachzuweisen ist. Dies schliesse der Absatz 4 kategorisch aus, weil er die Bestrafung an Übertretungskriterien knüpfe – also quasi: Man ist schuldig, weil man schuldig ist.

Mit dem Grundsatzentscheid des Bundesgerichts kann ein Richter solche Umstände des Verschuldens wieder in die Strafermessung aufnehmen. Wie das auch bei anderen Verbrechern selbstverständliche Rechtspraxis sei, sagt Giger.

Motionär will seinen Kampf fortsetzen

Die Raser-Tatbestände wurden 2013 mit dem Programm «Via Sicura» eingeführt. Es hat zum Ziel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Laut den neuen Regelungen werden Raser mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft, der Führerausweis wird ihnen mindestens für zwei Jahre entzogen.

Der Waadtländer CVP-Nationalrat Jean-Paul Gschwind hat eine Motion eingereicht, die die Streichung der Raser-Artikel verlangt. Gegenüber SRF News begründet er das damit, dass sich Richter bei ihm beklagt hätten, sie empfänden Unbehagen bei solchen Urteilen. Mit dem von allen Kammern getragenen Leiturteil kommt das Bundesgericht nun der Politik entgegen, ohne am Gesetz etwas zu ändern.

«Road Cross» kann mit dem Urteil leben

Gschwind will seine Motion trotzdem nicht zurückziehen. Er versteht das Urteil als Bestätigung, dass die Politik zu weit gegangen sei: «Ich setze meinen Kampf fort.»

Stefan Krähenbühl, Sprecher der Stiftung «Road Cross», reagiert gelassen: «Es geht nur darum, dass den Richtern ein gewisser Ermessensspielraum zurückgegeben wird. Das ist etwas, das wir akzeptieren können.»

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