Wenn Jan-Egbert Sturm die Bedeutung der bilateralen Verträge in eine einzige Zahl packen muss, dann kommt er auf 0,2 Prozentpunkte. Laut Sturm, dem Leiter der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH, würde ein Aufkündigen der Bilateralen I das Schweizer Wirtschaftswachstum um 0,2 Prozentpunkte schmälern.
Das höre sich erst einmal nach nicht so viel an, erklärt der ETH-Ökonom: «Wenn man das aber über Jahre hinweg kumuliert und von einem langfristigen, alljährlich wiederkehrenden Effekt ausgeht, dann geht es um Milliarden und Abermilliarden.» Und Sturm doppelt nach: Diese 0,2 Prozent seien vorsichtig berechnet.
Technologieschub durch Hochqualifizierte?
Zudem zeigten gewisse Kapitel der Studie, dass die Zahl der Hochqualifizierten in der Schweiz durch die Bilateralen zugenommen hätte – mit folgen für den Wirtschaftsstandort Schweiz: «Es ist dadurch auch wahrscheinlich, dass wir technologisch Schübe bekommen haben.» Schübe – also Fortschritte in der Industrie, im Dienstleistungssektor, in der Forschung, die ohne die zugewanderten hoch qualifizierten Europäer so unter Umständen in der Schweiz nicht möglich gewesen wären, vermutet Sturm.
Wenn die Zuwanderer aus der EU andere verdrängt haben, dann – laut der KOF-Studie – vor allem Zuwanderer aus Übersee: etwa aus Amerika oder Asien. Inländische Fachkräfte seien hingegen kaum vom Arbeitsmarkt verdrängt worden, sagen die ETH-Forscher. Sie wiederholen damit den Befund früherer Studien.
«Zitterpartie» um Bilaterale verunsichert Unternehmen
Sorgen bereitet Sturm derweil die anhaltende Zitterpartie um die bilateralen Verträge. Solange das Verhältnis zur EU nicht geklärt sei, hielten sich Unternehmen tendenziell mit Investitionen zurück. Das zeigen Umfragen, die die KOF im letzten Jahr bei Unternehmen gemacht hat.
Der Konjunkturexperte betont deshalb, wie wichtig eine rasche Einigung mit der EU sei. Je schneller die Situation geklärt werden kann, desto geringer fällt der Kollateralschaden in der Schweizer Wirtschaft aus.