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Rechtsfrage: Welche Rechte habe ich im Alters- oder Pflegeheim?
Aus Espresso vom 28.09.2017. Bild: Colourbox
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Sonstiges Recht «Welche Rechte habe ich im Alters- oder Pflegeheim?»

Wer bestimmt im Alters- und Pflegeheim über den Tagesablauf der Bewohnerinnen und Bewohner? Wer sagt, welche Medikamente eingenommen werden müssen? Fragen wie diese beschäftigen viele Menschen. «Espresso» sagt, was eine Heimleitung vorschreiben darf und wer bei Problemen weiterhilft.

Es sind Sätze wie diese, die einer «Espresso»-Hörerin aus dem Sarganserland Sorgen machen:

  • «Die Bewohnerin/der Bewohner hat die Hausordnung einzuhalten.»
  • «Nach Möglichkeit werden die individuellen Gewohnheiten in Bezug auf Körperhygiene und Bekleidung beachtet».
  • «Der Speisesaal ist ausser den Essenszeiten kein Aufenthaltsraum. Die Tischordnung wird von der Heimleitung bestimmt».

Diese Sätze stammen nicht aus der Hausordnung eines Jugendlagers oder Internats sondern aus den Hausordnungen zweier Alters- und Pflegeheime.

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Zum Thema «Rechte von Heimbewohnern»: Hier geht's zum Protokoll.

Dass sie vielleicht einmal in ein Alters- oder Pflegeheim ziehen muss, ist für die «Espresso»-Hörerin aus dem Sarganserland – sie will anonym bleiben – keine schöne Vorstellung. Erst recht nicht, wenn sie Sätze wie oben in Hausordnungen liest. «Kann wirklich ein Heim komplett über mich bestimmen? Zum Beispiel auch darüber, wann ich ins Bett muss und welche Medikamente ich nehmen muss?».

Persönlichkeitsrechte gelten immer - auch im Altersheim

Die Vorstellung, dass sie beim Eintritt in ein Heim ihre Rechte aufgeben müssen, beschäftigt viele Menschen. Zumal viele Heimbewohnerinnen und -bewohner oft nicht mehr genug Kraft haben, Fragen zu stellen oder sich für sich selber zu wehren.

Dazu kommt: Während zum Beispiel für Patienten im Spital oder für Patienten mit Behinderungen verschiedene Organisationen umfangreiches Informationsmaterial über Rechte und Pflichten zur Verfügung stellen, gibt es in diesem Bereich nur wenig Material. Dabei besteht nicht nur bei Bewohnenden, sondern auch bei Angehörigen ein grosses Bedürfnis nach solchem Informationsmaterial. Dazu kommt: Die Rechtslage ist nicht ganz als einfach.

Nicht alles gilt, nur weil es in der Hausordnung steht

Wer in ein Alters- oder Pflegeheim eintritt, schliesst mit dieser Institution einen sogenannten Heimvertrag ab. In aller Regel verweist dieser Heimvertrag auf die im Heim gültige Hausordnung. Wer den Vertrag unterschreibt, akzeptiert die darin vorgesehenen Regeln und auch die Hausordnung.

Allerdings darf sich weder ein Heimvertrag noch eine Hausordnung über zwingende gesetzliche Regeln hinwegsetzen. So ist beispielsweise die Bestimmung im Altersheim ungültig, wonach sich alle Bewohnenden vom Arzt des Heimes behandeln lassen müssen. Bewohnerinnen und Bewohner haben das Recht auf freie Arztwahl. Ganz grundsätzlich gilt: Persönliche Freiheiten und Rechte dürfen nur dann eingeschränkt werden, wenn die betreffende Person damit einverstanden ist oder wenn es einen sachlichen Grund dazu gibt.

Für festgelegte Essens- oder Badezeiten beispielsweise gibt es einen sachlichen Grund. Das Heim muss den Einsatz des Personals planen können. Ob es auch einen sachlich vertretbaren Grund für eine feste Tischordnung gilt, ist dagegen fragwürdig. Fühlt sich ein Bewohner an einem Tisch nicht wohl, so wird ihm das Heim einen anderen Platz nicht verwehren dürfen.

Eine Ombudsstelle hilft Bewohnenden und Angehörigen

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Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner beantwortet jeden Donnerstag eine Rechtsfrage. Haben Sie eine Frage? Schreiben Sie uns!

Klar ist die Rechtslage bei freiheitsbeschränkenden Massnahmen und bei der Abgabe von Medikamenten. Bewohnende dürfen nur dann in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, wenn es ihrer Sicherheit oder der Sicherheit anderer dient und kein Patient darf gegen seinen Willen gezwungen werden, Medikamente einzunehmen. Achtet ein Alters- oder Pflegeheim die Rechte seiner Bewohnerinnen und Bewohner nicht, machen sich die Verantwortlichen strafbar.

Wie die Anfrage der «Espresso»-Hörerin aus dem Sarganserland zeigt, kennen oft weder die Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen noch ihre Angehörigen ihre Rechte. Dass es eine Ombudsstelle für das Alter gibt (Adresse siehe Linkbox) und man sich dort informieren und beraten lassen kann, wissen leider auch nur wenige.

Doch nicht nur Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen kennen ihre Rechte zu wenig. Auch die Leitungen dieser Institutionen sind in diesem Bereich oft ungenügend informiert.

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